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König für einen Sommer: Roman (German Edition)

König für einen Sommer: Roman (German Edition)

Titel: König für einen Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Jochen Till
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ertragen war. Für das kommende Wochenende stand eine Party an. Eine von Beckmanns zahlreichen (zumeist sehr blonden) Verehrerinnen feierte Geburtstag, und wer Beckmann einlädt, muss auch den Rest der Meute in Kauf nehmen.
    Natürlich wären wir auch ohne offizielle Einladung hingegangen, aber so war es mir lieber. Es sollte eine Sixties-Party werden, entsprechende Kleidung erwünscht, für Musik ist gesorgt, wenn's geht, Getränke mitbringen, das Übliche also. Den Rest der Woche zerbrachen sich die Mädels den Kopf, was sie anziehen sollten, und die Jungs, wer was und wie viel zu trinken mitbringen würde.
    Dann war es endlich Samstag. Ratlos stand ich vor meinem Kleiderschrank, und mir wurde wieder einmal klar, warum ich Mottopartys hasste. Ich hatte nichts Sixtiesmäßiges. Was war überhaupt sixtiesmäßig? Sollte ich meine Mutter fragen? Nein, die würde nur ein Riesending daraus machen und ich wäre erst am Montag fertig. Trug man in den Sixties viel Schwarz? Dreiviertel meines Kleiderschranks war schwarz. Bestimmt trug man Schwarz in den Sixties. Ich beschloss in Schwarz zu gehen. Andi wollte mich um acht Uhr abholen; es war kurz nach sieben. Genug Zeit, mir noch ein, zwei Bier zu genehmigen, der Stimmung wegen. Chris würde mit Sicherheit dort sein und davon wollte ich mich nicht runterziehen lassen. Ich war zwar über sie weg, aber manchmal stach es noch ein bisschen, wenn ich sie sah.
    Meine Erwartungen in diese Fete waren, was die Leute anging, nicht sehr hoch. Die Gastgeberin und ihr Gefolge kannte ich nur flüchtig, aber das langte. Jungschnösel und aufgedonnerte Mädels, nicht meine Welt. Aber schließlich gab es ja noch Beckmann, Andi und den Rest, um Spaß zu haben, und deswegen freute ich mich.
    NACH EINIGEN Schwierigkeiten bei der Parkplatzsuche standen Andi und ich gegen halb neun vor der angegebenen Adresse, waren uns aber nicht sicher, ob es tatsächlich die richtige Örtlichkeit war. Von außen sah es aus wie eine stinknormale, gutbürgerliche Gaststätte, aber die Hausnummer stimmte und so öffneten wir die große Schwenktür.
    »Zehn Mark Eintritt!«, blaffte es uns sofort entgegen und wir wussten, hier waren wir richtig.
    »Wir sind eingeladen«, erwiderte ich bestimmt.
    »Jeder zahlt.«
    »Wofür?«, wollte ich wissen.
    »Unkostenbeitrag«, war die äußerst erschöpfende Antwort.
    »Was für Unkosten?«
    »Getränke und Futter.«
    »Ich bin nicht hungrig und meine Getränke hab ich dabei.« Ich hielt ihm die Wodkaflasche vor die Nase.
    »Egal! Zehn Mark oder verschwindet!«
    Da mir langsam klar wurde, dass die Zweimeterkreatur vor mir seine Intelligenz nur mit Hanteln trainierte und es bei seinem enormen Wortschatz sinnlos war, weiter mit ihm zu diskutieren, sah ich mich nach der Gastgeberin um, die uns dann freundlicherweise für jeweils fünf Mark hereinbat.
    Innen sah es genau so aus, wie man es von außen her erwartete: gutbürgerlich, rustikal, viel Holz. Die Wände waren backsteinrot, ebenso der Boden. Einige Tische waren beiseite geräumt worden, wohl um etwas Ähnliches wie eine Tanzfläche vorzutäuschen. Einen nicht unbeträchtlichen Teil dieser vermeintlichen Tanzfläche nahm die Anlage samt dazugehörigem DJ in Anspruch, der allein mit seiner Körperfülle mindestens drei Tanzwilligen den Platz stahl. Außerdem hatte er dringend Nachhilfe in Sachen Musikgeschichte nötig, denn soweit ich wusste, war »Cherry Cherry Lady« von Modern Talking kein Hit aus den Sechzigern. Schlimm genug, dass es überhaupt mal ein Hit war und ich ihn mir anhören musste. Meine Laune begann zu sinken. Das Publikum bestand aus einer Mischung von einigen Partygästen und etlichen Typen, die wohl jeden Abend hier an der Theke saßen. Ob die wohl auch Eintritt bezahlt hatten? Auf meine Frage, warum sie in einer Kneipe feiere, erklärte mir die Gastgeberin – ihr Name war Sabine oder irgendetwas anderes mit S –, die Kneipe gehöre ihren Eltern und die wären nicht bereit gewesen den Laden für die Party offiziell zu schließen, darum wären auch noch andere Leute da.
    Andi hatte in der Zwischenzeit zwei Pils an der Theke besorgt (schließlich hatten wir ja fünf Mark bezahlt) und wir setzten uns an einen der freien Tische am Rand der Tanzfläche. Von uns schien noch niemand da zu sein. Ich schaute mir die geladenen Gäste etwas genauer an und stellte fest, dass sie meinen Erwartungen voll entsprachen. Großartig auf Sixties getrimmt war außer der Gastgeberin eigentlich niemand und selbst bei ihr
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