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Knochenpfade

Knochenpfade

Titel: Knochenpfade
Autoren: Alex Kava
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Hubschrauber nichts Auffälliges sah, würden sie dann das Risiko eingehen, jemanden herunterzuschicken? Und, lieber Gott, dachte Walter. Lass es bloß nicht Liz sein! Er hoffte, dass sie sich schon längst auf dem Weg nach Jacksonville befand. Dies hier musste ein anderes Team sein, zurückgelassen für eine Rettungsaktion in letzter Minute.
    “Es ist nicht so, als hätte ich Bedenken, euch beide zu erschießen”, sagte Joe. Er stand breitbeinig vor ihnen, die eine Hand gegen die Wand gestützt, um beim erneuten Steigen des Bootes das Gleichgewicht zu halten. “Es widerstrebt mir nur, eine Pistole oder ein Messer zu benutzen. Zu viel Schaden am Zellgewebe. Es gibt nichts Ärgerlicheres als eine Kühlbox voll mit beschädigter Ware.”
    Er begann zu labern. Walter fragte sich, ob der Stress Joes Schaltkreise durcheinandergebracht hatte. Verrückte waren gefährlich. War es schon zu spät, oder konnte er noch zu dem Jungen durchdringen?
    Walter presste eine Hand gegen die Wand und versuchte sich aufzurichten.
    “Bleiben Sie, wo Sie sind, und rühren Sie sich nicht von der Stelle, Walter. Sonst schieße ich Ihnen die Hand kaputt. Hände habe ich zurzeit jede Menge. Seit sie rausgefunden haben, wie man das Karpaltunnelsyndrom operiert, ist die Nachfrage im Keller.”
    “Es ist vorbei, Norris”, sagte Walter und benutzte dabei absichtlich den Namen seines Vaters. Er beobachtete Joes Augen. Irgendwie wollte er wieder den Jungen aus ihm herauskitzeln, der so gern seine Coney-Island-Hotdogs aß. Er war sich sicher, wenn ihm das gelang, dann würde ihnen nichts mehr passieren. Doch auf Joes Reaktion war er nicht gefasst.
    Joe Black zielte, drückte den Abzug, und Walters linke Hand explodierte.

62. KAPITEL
    Pensacola
    Scott ignorierte Trishs Anrufe. Er schaltete sein Handy aus und warf es auf den Einbalsamierungstisch.
    Sie wollte, dass er zum Haus ihres Vaters kam. Ihr Daddy war unauffindbar. Zu ihrer Schwester bekam sie auch keinen Kontakt. Und wieder einmal brach sie in Panik aus. Vorhin erst hatte er ihr erklärt, dass er im Bestattungsinstitut bleiben müsse, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war. Wenn eine Fensterscheibe brach, wollte er hier sein, um den Schaden mit Brettern zu beheben. Er musste verhindern, dass ein Wasserschaden entstand. Das verstand sie einfach nicht. Immerhin hatte er nicht einen Finger gekrümmt, um ihr brandneues Haus vor dem Sturm zu sichern.
    “Das ist was anderes”, hatte er zu erklären versucht.
    Das hier war ihr Lebensunterhalt. Wenn ihr Haus zerstört wurde, konnten sie auch in einem Hotel unterkommen. Wenn aber das Bestattungsinstitut Schaden nahm, hätten sie kein Einkommen mehr. Wieso konnte sie diesen Unterschied nicht erkennen?
    Er hatte sich gerade wieder die Hände gewaschen. Diesen Geruch von verwesendem Fleisch bekam er einfach nicht aus der Nase. Er überprüfte die Schränke. Putzte den Einbalsamierraum noch einmal gründlich. Versprühte Desinfektionsmittel. Er roch es nach wie vor. Auf einer der Konferenzen von Bestattungsunternehmern hatte er von Geruchshalluzinationen gehört. Damals hatte er gedacht, das wäre lächerlich. Inzwischen fragte er sich, ob er es gerade selbst erlebte.
    Die Welt draußen wurde grau. Die Stromleitungen tanzten im Wind. Von den immer wieder hereinbrechenden Regenfluten stand bereits das Wasser auf den Straßen. Ein paar Kiefern waren bereits umgeknickt. Mit jeder neuen Sturmwelle wurde der Wind stärker. Aus dem Radio hatte Scott erfahren, dass es sechs bis zehn Stunden ohne Pause so weiterginge, wenn der Hurrikan erst mal das Festland erreicht hätte. Zwölf bis fünfzehn, wenn der nachfolgende Orkan genauso heftig wäre.
    Scott musste sich eingestehen, dass er es jetzt, nachdem er einen Teil der Ausläufer mitbekommen hatte, doch mit der Angst zu tun bekam. Als Kind hatte er einmal einen Klaustrophobieanfall gehabt, als er im Kofferraum des Nachbarwagens eingeschlossen wurde. Seine Bestrafung, weil er frech zu den älteren, stärkeren Kids gewesen war. Der Sturm ließ diese Klaustrophobie wieder aufleben.
    Als er ein Krachen hörte, rannte er zum Fenster.
    “Verfluchter Mist!”
    Ein Ast von der riesigen Eiche draußen vor der Hintertür war abgebrochen. Der schwere Teil war zu Boden gestürzt, aber das andere Ende hing noch in den Strommasten. Funken sprühten. Die Lichter im Bestattungsinstitut flackerten ein paarmal, blieben aber an.
    Scott fürchtete, dass der Baum womöglich das Dach einschlagen könnte. Wenn die
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