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Knochenpfade

Knochenpfade

Titel: Knochenpfade
Autoren: Alex Kava
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Das Boot hat er sich erst angeschafft, als er erfuhr, dass er krank war. Hat zu lange damit gewartet, das Leben zu genießen. Meinte immer, er könnte sich das nicht leisten.”
    Wieder schlug eine Welle ein und hätte das Boot fast zum Kentern gebracht. Der Thunfischbeutel prallte gegen Walter. Er drückte die Hacken gegen die Wand und die Schulter an die andere Seite, um sich festzuklemmen. Als sich das Schiff wieder senkte, rutschte der Beutel gegen die Stufen, aber Walter blieb in seiner Position.
    Irgendwie hatte er das Gefühl, dass dieser Kerl das hier als eine große Achterbahnfahrt betrachtete. Er kannte Typen wie Joe Black von der Marine. Sie liebten das Abenteuer, je gefährlicher, desto besser. Sie waren regelrecht wild danach. Ein kleines Bisschen davon hatte er auch in sich selbst gespürt. Und er sah es auch bei seiner Tochter Liz. Manchmal machte er sich Sorgen, dass ihr etwas passierte. Es gab immer einen Moment, in dem der Rausch nicht mehr ausreichte. Irgendwann glaubte man, unverwundbar zu sein, weil man bis dahin überlebt hatte. Was hatte Liz ihm erzählt, was sie neuerdings immer sagten? Dem Monster ins Auge sehen und triumphieren? Also erhöhte man den Einsatz, nahm immer größere Risiken in Kauf.
    Nein, es überraschte Walter überhaupt nicht, dass Joe sich nicht vom Hurrikan abschrecken ließ.
    Einen Augenblick später war er wieder durch den Lautsprecher zu hören: “He, Walter, ich wünschte, ich hätte Sie nicht festbinden müssen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie das hier genossen hätten! Das sollten Sie wirklich von hier aus sehen. Ich wette, Sie haben auf See schon Schlimmeres erlebt, was?” Es gab kein statisches Knistern mehr, dann klickte es zweimal, sodass Walter dachte, die Anlage hätte den Geist aufgegeben.
    Dann kam noch einmal Joes Stimme: “Da bin ich wohl nicht durchgekommen. Diese Funkgeräte sind leider etwas veraltet.”
    Walter wartete eine weitere Welle ab – hoch, hoch, noch höher und schließlich wieder hinunter. Der Thunfischbeutel rollte zu einer Kabinenwand und krachte dann in die gegenüberliegende. Walter hielt sich.
    “Das habe ich von meinem Vater gelernt, Walter. Man kann das wahre Leben nicht auf später verschieben. Man muss nehmen, was man kriegen kann, und rechtzeitig zupacken. Und nach all den Jahren, in denen mein Vater krank war und die Marine sich nicht um ihn kümmerte … Na ja, sagen wir’s mal so: Ich treibe nur die Schulden ein.”
    Wieder eine Welle.
    “Und wissen Sie was, Walter: Ich habe Hurrikans lieben gelernt. Man muss sie nur für sich zu verwenden wissen.”
    Walter dachte zuerst, Joe redete von dieser Achterbahnfahrt. Erst als er sah, wie Bewegung in den Thunfischbeutel kam, dämmerte die Erkenntnis. Der Reißverschluss der Tasche wurde mühsam stückweise von innen aufgefriemelt.
    “Junge, Junge, die vielen Hurrikans diesen Sommer waren regelrechte Goldesel. Wissen Sie, warum? Es werden immer Leute vermisst nach einem Hurrikan. Eine vermisste Person wird ganz schnell zum Spender. Wissen Sie, was so ein Körper heutzutage wert ist?”
    Walters Kopf dröhnte. Er musste angestrengt blinzeln, weil er glaubte, zu halluzinieren. Er wand und krümmte sich, um einen besseren Blick auf den Beutel werfen zu können. Dann hielt er die Luft an, als eine mit Kratzern und blauen Flecken übersäte Charlotte Mills aus dem Thunfischbeutel kroch.

58. KAPITEL
    Pensacola Beach
    Maggie wusste, dass sie mehr als “ein paar von diesen Ingwerkapseln” brauchte, um das hier zu überstehen. Was hatte sie sich eigentlich vorgestellt, als Liz Bailey ihr anbot, sie aus Pensacola Beach hinauszubringen? Wie war sie auf die Idee gekommen, das wäre eine ganz einfache Sache? Weil sie keine Ahnung gehabt hatte, was sie erwartete. Was hatte sie gestern Morgen noch zu Charlie Wurth gesagt? Das ist nur ein Sturm. Wie schlimm kann es schon werden ?
    Jeder nannte das hier die “Ausläufer”. Aber die Luft war schon jetzt zum Schneiden dick, man konnte kaum noch atmen. Maggie fühlte sich, als wäre die Erdachse ein Stück zur Seite gekippt. Die Bäume bogen sich halb zum Boden. Der Regen schüttete fast waagerecht. Die wenigen Menschen, die sich noch draußen aufhielten, schwankten von einer Seite zur anderen, kämpften gegen den Wind an und mussten sich immer wieder festhalten, um nicht umgestoßen zu werden. Maggie bemühte sich angestrengt, die Balance zu halten. Sandkörnchen prasselten wie Millionen kleiner Nadelspitzen gegen ihre Haut.
    Dann hörte es
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