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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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nichts.
    »Motiv?«
    »Raubüberfall.«
    »Raubüberfall?«
    »In dieser Gegend sind Banditen ein Problem.«
    »Molly sagte mir, sie wären seit Guatemala City verfolgt worden.«
    »Darauf habe ich auch hingewiesen.«
    »Und?«
    »Molly hatte hellbraune Haare, eine weiße Haut. Sie ist unübersehbar ein Gringo. Die Polizei glaubt, dass die beiden wahrscheinlich schon in G City als Opfer ausgesucht und dann bis zu einem günstigen Ort verfolgt wurden.«
    »Eine gut einsehbare Stelle an einem großen Highway?«
    Mateo sagte nichts.
    »Molly trug noch ihren Schmuck und eine Armbanduhr«, sagte ich.
    »Die Polizei konnte weder Pässe noch Brieftaschen finden.«
    »Nur damit ich das richtig verstehe: Diebe haben sie zwei Stunden lang verfolgt, dann nur die Brieftaschen genommen und den Schmuck zurückgelassen?«
    » Sí «, erwiderte er auf Spanisch.
    »Ist das typisch für Straßenraub?«
    Er zögerte, bevor er antwortete.
    »Vielleicht wurden sie ja gestört.«
    Señora Samines brachte meine Eier. Ich stocherte darin, spießte eine Kartoffel auf. Carlos und Molly sollten wegen Geld erschossen worden sein?
    Als ich nach Guatemala kam, fürchtete ich die Regierungsbürokratie, Darmbakterien, unehrliche Taxifahrer, Taschendiebe. Warum schockierte mich der Gedanke eines bewaffneten Raubüberfalls so?
    Amerika ist weltweit führend, was Waffengebrauch mit Todesfolge angeht. Unsere Straßen und Arbeitsplätze sind Schlachtfelder. Teenager werden wegen ihrer Nikes erschossen, Ehefrauen, weil sie den Braten zu spät servieren, Schüler, weil sie in der Cafeteria der High School zu Mittag essen.
    Jährlich kommen über dreißigtausend Amerikaner durch Kugeln ums Leben. Siebzig Prozent aller Morde werden mit Schusswaffen begangen. Jedes Jahr rührt die National Rifle Association die Werbetrommel, und Amerika akzeptiert es. Die Waffen werden immer mehr, und das Gemetzel geht weiter. Das Tragen von Waffen bringt der Polizei keinen Vorteil mehr. Es macht die Beamten höchstens ebenbürtig.
    Die Kartoffeln schmeckten wie Spanplatte. Ich legte die Gabel weg und griff nach meinem Kaffee.
    »Die Polizei glaubt, dass Carlos ausgestiegen ist?«
    Mateo nickte.
    »Warum sich dann die Mühe machen, ihn wieder in den Transporter zu schubsen?«
    »Ein liegen gebliebenes Fahrzeug erregt weniger Aufmerksamkeit als eine Leiche auf der Erde.«
    »Klingt ein Raubüberfall für dich einleuchtend?«
    Mateo spannte die Kiefermuskeln an, entspannte sich, spannte sie wieder an.
    »So was kommt vor.«
    Elena räusperte sich, sagte aber nichts.
    »Und jetzt?«
    »Elena wird heute im Krankenhaus Wache halten, während wir in Chupan Ya weiterarbeiten.« Er goss Kaffeesatz auf den Rasen. »Und wir alle beten.«
    Meine Großmutter sagte immer, Gottes Heilmittel für Kummer sei körperliche Arbeit. Sie war auch der Überzeugung, dass Kröten Unfruchtbarkeit hervorriefen, aber das war ein anderes Thema.
    In den nächsten fünf Tagen nahm das Team Megadosen von Omas Elixier zu sich. Wir arbeiteten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang am Brunnen, trugen Gerätschaften ins Tal hinunter und wieder hoch, gruben, zogen Eimer hoch, warfen Erde durch Siebe.
    An den Abenden schleppten wir uns von unserem hospedaje zu einem der Restaurants am Ufer des Atitlán-Sees. Ich genoss diese kurzen Erholungspausen vom Tod. Obwohl in der Dunkelheit vom See und den uralten Vulkanen am anderen Ufer nichts zu sehen war, konnte ich doch Fisch und Algen riechen und die Wellen hören, die an wackeligen Holzstegen leckten. Touristen und Einheimische spazierten am Ufer entlang. Maya-Frauen mit unvorstellbaren Bündeln auf dem Kopf gingen vorbei. Von entfernten Xylophonen drangen Melodiefetzen zu uns. Das Leben ging weiter.
    An manchen Abenden aßen wir schweigend, weil wir zu erschöpft waren für eine Unterhaltung. An anderen redeten wir über das Projekt, über Molly und Carlos, über die Stadt, in der wir vorübergehend wohnten.
    Die Geschichte von Panajachel ist so bunt wie die Textilien, die auf seinen Straßen verkauft werden. In einem anderen Zeitalter war der Ort eine Siedlung der K’akchiquel Maya, die von den Vorfahren der heutigen Bürger bewohnt wurde, als eine Streitmacht aus rivalisierenden Tzutujil-Kriegern von den Spaniern besiegt wurde. Später gründeten Franziskaner in »Pana« ein Kloster mit Kirche und benutzten das Dorf als Ausgangspunkt für ihre Missionierung.
    Darwin hatte Recht. Das Leben ist Gelegenheit. Die Niederlage einer Gruppe ist der Triumph einer
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