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Knochenfunde

Knochenfunde

Titel: Knochenfunde
Autoren: Iris Johansen
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gesagt. Es muss Duncan sein.«
    »Sieht so aus, als müssten Sie sich mit Dupree zufrieden geben.
    Er hat einen guten Ruf.«
    Hebert holte tief Luft. Er hatte sich auf wissenschaftlichen Web-sites Beispiele von Eve Duncans Arbeit angesehen und sie mit der anderer führender Gesichtsrekonstrukteure verglichen. Es war, als würde man ein Meisterwerk von da Vinci mit Höhlenmalerei vergleichen. Er konnte seinen Schädel keinem Neandertaler anvertrauen. Die Sache war viel zu wichtig. Melton und den anderen war sie auch wichtig, aber das interessierte Jules nicht. Jetzt nicht mehr.
    Melton hatte einen sicheren Job in einer sicheren Welt. Er saß in seinem warmen Büro und brauchte nur mit dem kleinen Finger zu schnippen, um Männer wie Hebert in Bewegung zu setzen und sich von ihnen die Kohlen aus dem Feuer holen zu lassen. »Sie haben mir gesagt, ich soll Beweise liefern. Geben Sie mir Eve Duncan, und Sie bekommen Ihren Beweis.«
    »Es war Ihr Fehler, und jetzt sehen Sie gefälligst zu, wie Sie das wieder in Ordnung bringen.«
    Jules’ Hand umklammerte den Hörer. »Wenn es darauf an-
    kommt, gibt es immer eine Möglichkeit zu kriegen, was man will.
    Wo ist das Problem?«
    »Ich schätze, sie geht so sehr in ihrer Familienidylle auf, dass sie außer ihrem Häuschen in Georgia nichts mehr interessiert. Aber was soll man von einer Frau schon anderes erwarten?«
    »Hüten Sie sich, Frauen zu unterschätzen. Ich kenne einige, denen ich lieber aus dem Weg gehe, anstatt mich mit ihnen anzulegen.
    Duncan ist offenbar sehr willensstark. Haben Sie es so versucht, wie ich es Ihnen vorgeschlagen habe?«
    »Ja, sie schien sogar interessiert, aber es hat nicht gereicht, um sie zu einer Zusage zu bewegen.«
    »Dann haben wir noch nicht auf den richtigen Knopf gedrückt.
    Es muss eine Möglichkeit geben. Erzählen Sie mir von ihr.«
    »Sie wissen doch, welches Ansehen sie genießt, sonst würden Sie nicht so hartnäckig darauf bestehen, dass sie den Auftrag übernimmt.«
    Jules betrachtete die Zeitung mit dem Bild von Eve Duncan, das ihn veranlasst hatte, Melton anzurufen. Das Foto zeigte eine Frau von Anfang dreißig mit einem selbstbewussten, intelligenten, von braunen Locken eingerahmten Gesicht. Sie trug eine Nickelbrille und strahlte eine ungewöhnliche Mischung aus Mut und Sensibilität aus. »Ich bin über ihre professionellen Fähigkeiten im Bilde, aber ich muss mehr über ihren Hintergrund wissen. Ich muss wissen, wie ich an sie herankommen kann.«
    »Sie wurde unehelich geboren und ist bei ihrer cracksüchtigen Mutter in den Slums von Atlanta aufgewachsen. Später wurde die Mutter von ihrer Drogensucht geheilt, und seitdem haben die beiden ein enges Verhältnis zueinander. Eve bekam mit sechzehn eine Tochter namens Bonnie. Danach ist sie wieder zur Schule und anschließend an die Uni gegangen. Sie war mitten im Studium, als ihre siebenjährige Tochter von einem Verrückten ermordet wurde, der schon elf weitere Kinder auf dem Gewissen hatte. Die Leiche wurde nie gefunden, was Duncan dazu veranlasste, Gesichtsrekonstrukteurin zu werden. Sie hat ihren Abschluss an der Georgia State University gemacht und sich zu einer der Besten auf ihrem Gebiet entwickelt. Sie arbeitet freiberuflich und für mehrere Polizeidirektionen im ganzen Land.«
    »Und ihr Privatleben?«
    »Sie lebt mit Joe Quinn zusammen, einem Detective bei der Polizei von Atlanta. Sie sind befreundet, seit ihre Tochter vor über zwölf Jahren ermordet wurde, aber sie leben erst seit etwa zwei Jahren zusammen. Vor kurzem hat sie ein zwölfjähriges Mädchen adoptiert, Jane MacGuire, die, genau wie Duncan, auf der Straße aufgewachsen ist. Die drei wohnen in einem Haus am See, in der Nähe von Atlanta.
    Duncans Tochter Bonnie ist auf ihrem Grundstück begraben.«
    »Sie sagten doch, die Leiche wurde nie gefunden.«
    »Doch, letztes Jahr. Es waren neue Informationen aufgetaucht, und man fand das Skelett im Chattahoochee National Forest. DNS-Tests ergaben, dass es sich um Bonnie Duncan handelte.«
    Und Eve Duncan hat ihren Frieden gefunden, dachte Hebert. Er wusste, was es bedeutete, wenn ein Fall abgeschlossen war. Er konnte sich gut vorstellen, in welcher düsteren Welt Eve all die Jahre gelebt hatte.
    »Sonst noch was?«, fragte Melton. »Ich kann Ihnen alle Einzelheiten liefern, falls Sie sie brauchen.«
    Eiskalt und ungerührt. Jules war sich sicher, dass Melton die Einzelheiten ebenso kühl und lässig von sich geben würde, wie er ihm Eve Duncans Geschichte
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