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Knochenfunde

Knochenfunde

Titel: Knochenfunde
Autoren: Iris Johansen
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Ich bin den anderen sowieso voraus.«
    Und zwar nicht nur, was ihre schulischen Leistungen anging.
    Aufgrund ihrer Geschichte hatte sie ihren Altersgenossen sowohl an Erfahrung als auch in Bezug auf ihre charakterliche Entwicklung eine Menge voraus. Eve freute sich über Janes Begeisterung für den Welpen. Das Mädchen war lange genug um die Freuden der Kindheit betrogen worden. »Mal sehen. Darüber reden wir später.«
    »Gehst du gleich zu Federal Express? Können Toby und ich mitkommen?«
    »Klar. Aber erst muss ich noch ein paar frische Blumen auf Bonnies Grab stellen. Ich bin diese Woche noch gar nicht bei ihr gewesen.«
    »Ein paar von den Chrysanthemen, die neben dem Haus stehen?
    Ich hole sie für dich. Toby und ich kommen mit. Er braucht ein bisschen Bewegung.«
    »Wie bitte? Er macht doch nichts anderes als den lieben langen Tag herumzutoben.«
    »Aber bergauf zu laufen ist was anderes. Das ist gutes Training und kräftigt die Lunge.« Jane lief nach draußen. »Bis gleich.«
    Lächelnd schüttelte Eve den Kopf, als sie auf die Veranda trat.
    Die beiden würden lange vor ihr beim Grab eintreffen, und sie konnte nur hoffen, dass Toby die Blumen nicht ruinierte, die Jane in die Vase stellte.
    Nicht dass das eine große Rolle spielte. Es waren nur Blumen.
    Und Bonnie hätte es gefallen zu sehen, wie der Welpe sich freudig auf die Blüten stürzte und sie genüsslich zerfetzte. Sie machte sich auf den Weg, der am See entlang führte.
    Zu ihrer Überraschung verhielt Toby sich vergleichsweise ruhig.
    Er lag neben dem Grab auf dem Rücken und ließ sich von Jane den Bauch kraulen. »Ich hab dir ja gesagt, bergauf laufen ist was anderes«, sagte Jane. »Jetzt ist er müde. Ich muss dafür sorgen, dass er mehr Kondition bekommt.« Sie drehte sich um und begann, Unkraut vom Grab zu zupfen. »Um diese Jahreszeit macht es nicht viel Arbeit. Ich war vor drei Tagen hier, und da war kaum ein Unkraut zu sehen.«
    »Du bist hier gewesen?«
    »Ja, ich weiß doch, wie wichtig dir das hier ist, wie sehr du Bonnie liebst.« Jane richtete die Blumen in der Vase. »So. Eigentlich wollte ich das Ahornlaub wegharken, aber dann fand ich die rote Farbe so hübsch. Es sieht aus wie eine warme Decke.«
    »Ja, das stimmt.« Eve betrachtete die Herbstblätter. Eine Decke für Bonnie. Das klang nach zu Hause und nach Schutz vor Gefahr.
    Nach allem, was sie sich für ihre Tochter gewünscht hatte.
    »Ist das in Ordnung?«, fragte Jane.
    »Es ist wunderschön.« Eve schluckte. »Habe ich dir in letzter Zeit schon mal gesagt, wie sehr ich dich liebe, Jane?«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen.« Ohne Eve anzusehen,
    sprang Jane auf. »Wahrscheinlich denkst du dauernd, du würdest mir was vorenthalten oder so was. Du brauchst mich nicht genauso sehr zu lieben wie Bonnie. Das erwarte ich nicht.«
    »Aber ich liebe dich ebenso sehr wie Bonnie… nur auf andere
    Weise.«
    »Alles klar. Wir treffen uns am Auto. Vielleicht können wir uns ein Video ausleihen, wenn wir schon mal in der Stadt sind, jetzt wo du mit Carmelita fertig bist. Joe sagt, er möchte sich gern diesen neuen Science-Fiction-Streifen ansehen.« Sie lief los, dicht gefolgt von Toby.
    Es gab immer noch ein paar Probleme, aber sie waren schon weit gekommen. Ihre Beziehung war stark, und Eve zweifelte nicht daran, dass sie nach und nach alle Probleme lösen würden.
    Zeit, sich auf den Weg zu machen. Sie schaute auf das Grab hinunter. »Auf Wiedersehen, Bonnie«, flüsterte sie. Dann drehte sie sich um und machte sich auf den Rückweg.
    Plötzlich lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken.
    Sie fuhr herum und schaute den Hügel hinauf. »Bonnie?«
    Nichts. Kein Laut. Kein Rascheln in den Bäumen…
    Und dennoch, da war doch… irgendetwas?
    Einbildung. Wahrscheinlich war sie einfach überarbeitet. Bonnie machte ihr nie Angst…
    »Eve!« Jane winkte ihr von weitem zu. »Toby hat ein Eichhörnchen auf einen Baum gescheucht. Oder vielleicht ist es auch ein Waschbär. Komm her und sieh es dir an.«
    Eve eilte den Hügel hinunter. »Ich komme.«

Zwei

    Das Kind könnte der Schlüssel sein.
    Jules Hebert zog sich ins Gebüsch zurück, als Eve sich vom Grab entfernte. Ihr Gesichtsausdruck hatte ihm alles gesagt. Sie war eine Mutter, und sie strahlte die Liebe, die Aufopferungsbereitschaft und die Zärtlichkeit aus, die allen Müttern eigen war. Der Tod eines Kindes konnte eine Mutter fast zu allem motivieren.
    Jane MacGuire?
    Die Vorstellung drehte ihm den Magen um. Kinder zu
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