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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch
Autoren: Dick Francis
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ging ich hinüber zu dem Regenmantel, auf dem er gesessen hatte, ganz in der Nähe des kleinen Hügels.
    Dort standen hellgelbe Schlüsselblumen und am Rand blaue Vergißmeinnicht – und der ganze mittlere Bereich war voller Stiefmütterchen. Dunkelpurpurne, samtene Stiefmütterchen, die im Sonnenlicht einen schwarzen Schimmer hatten.
    Es war zynisch von mir, daß ich überlegte, ob er selbst die Blumen gepflanzt haben konnte.
     
    Enzo lag im Leichenschauhaus, und Alessandro war in tiefen Schlaf versunken, als Archangel und Tommy Hoylake das Guineas gewannen.
    So hatten sie es nicht geplant.
    Den ganzen Nachmittag fühlte ich mich gedrückt wie vor einem drohenden Gewitter, obwohl es nun gar keinen Grund mehr dafür gab. Die Bekämpfung Enzos nahm nicht mehr die Hälfte meiner Energie in Anspruch, aber ich fand es unmöglich, seinen Einfluß auf einen Schlag abzuschütteln. Erst jetzt begriff ich, wie stark dieser Einfluß geworden war.
    Was ich hätte empfinden müssen, war Erleichterung darüber, daß der Stall gerettet war. Was ich tatsächlich empfand, war Niedergeschlagenheit.
    Der Bankier, Archangels Besitzer, glühte praktisch vor Glück. Mit strahlendem Gesicht und zitternd vor Stolz stand er im Absattelring und scherzte mit der Presse.
    »Gut gemacht, mein Junge, wirklich gut gemacht«, sagte er zu mir, zu Tommy und zu Archangel gleichermaßen und sah so aus, als würde er uns gleich alle umarmen.
    »Und jetzt, mein Junge, jetzt auf zum Derby, hm?«
    »Jetzt auf zum Derby«, nickte ich und fragte mich, wie bald mein Vater nach Rowley Lodge zurückkehren würde.
     
    Am nächsten Tag besuchte ich ihn.
    Er sah noch bedrohlicher aus als gewöhnlich, denn er hatte alles über die mehrfachen Morde auf der Galoppbahn gehört.
    Er gab mir die Schuld daran, daß etwas Derartiges geschehen konnte. Es bewahrte ihn außerdem davor, überlegte ich säuerlich, etwas Nettes über Archangel sagen zu müssen.
    »Du hättest diesen Lehrling niemals nehmen dürfen.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Der Jockey Club wird ernsthaft verstimmt sein.«
    »Ja.«
    »Der Mann muß wahnsinnig gewesen sein.«
    »So ungefähr.«
    »Absolut wahnsinnig, zu glauben, er könne, indem er Tommy Hoylake tötet, erreichen, daß sein Sohn Archangel reiten darf.«
    Ich hatte der Polizei irgend etwas sagen müssen, und ich hatte ihnen das gesagt. Es schien zu genügen.
    »Besessen«, pflichtete ich ihm bei.
    »Aber das hätte dir doch gewiß vorher auffallen müssen? Er hat doch gewiß irgendwelche Anzeichen gezeigt?«
    »Das hat er wohl«, stimmte ich neutral zu.
    »Dann hättest du doch gewiß in der Lage sein müssen, ihn aufzuhalten.«
    »Ich habe ihn aufgehalten … in gewisser Hinsicht.«
    »Nicht sehr wirkungsvoll«, beklagte er sich.
    »Nein«, sagte ich geduldig und dachte, daß der einzige, der Enzo wirkungsvoll und endgültig aufgehalten hatte, Cal gewesen war.
    »Was ist los mit deinem Arm?«
    »Habe mir das Schlüsselbein gebrochen«, sagte ich.
    »Pech.«
    Er blickte auf sein immer noch in der Luft schwebendes Bein und sprach damit beinahe, aber nicht ganz aus, daß ein Schlüsselbein ein Pappenstiel war im Vergleich zu dem, was er ertragen hatte. Womit er übrigens recht hatte.
    »Wie bald wirst du rauskommen?« fragte ich.
    Er antwortete mit einer halb selbstgefälligen, halb unverkennbar boshaften Freude. »Früher, als es dir vielleicht gefällt.«
    »Ich wünsche mir wirklich nicht, daß du hierbleibst«, protestierte ich.
    Er machte einen leicht bestürzten Eindruck, einen leicht beschämten.
    »Nein … na ja … die Ärzte sagen, es dauert jetzt nicht mehr lange.«
    »Je früher, desto besser«, sagte ich und versuchte, es auch so zu meinen.
    »Mach kein Training mehr mit Archangel. Ich entnehme übrigens dem Rennkalender, daß du eigene Nennungen gemacht hast. Ich möchte nicht, daß du das tust. Ich bin durchaus in der Lage, selbst zu entscheiden, wo meine Pferde laufen sollen.«
    »Wie du meinst«, sagte ich milde und stellte mit überraschend geringer Freude fest, daß ich keinen Grund mehr hatte, ihm irgendwie ins Handwerk zu pfuschen.
    »Sag Etty, daß sie sich mit Archangel sehr gut geschlagen hat.«
    »Mach ich«, sagte ich. »Um genau zu sein, hab’ ich das schon getan.«
    Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten. »Sag ihr, ich hätte das gesagt.«
    »Ja«, sagte ich.
    Es hatte sich zwischen uns doch nicht allzuviel geändert. Er war immer noch das, wovor ich mit sechzehn davongelaufen war, und ich würde diesmal weit
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