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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch
Autoren: Dick Francis
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Reihe hilfsbereiter Zuschauer mich auf die Beine brachten, sah er zu mir hin, und die Verzweiflung auf seinem Gesicht war tief und grenzenlos.
    »Warum?« fragte er. »Warum hat er das getan?«
    Ich antwortete nicht. Brauchte ihm nicht zu antworten. Er wußte es bereits.
    »Ich hasse ihn«, sagte er.
    Die Menschen um uns herum begannen, Fragen zu stellen, aber weder Alessandro noch ich beantwortete sie.
    Von irgendwo rechts von uns hörte man ein neuerliches lautes, unvermißverständliches Krachen. Ich und die Hälfte der versammelten Menschenmenge gingen unwillkürlich in Deckung, aber die Kugel hätte uns bereits erreicht, wäre auf uns gezielt worden.
    Ein Krachen, dann Stille. Das Echo über Waterhall erstarb ziemlich rasch, aber es würde für alle Zeiten durch Alessandros Leben hallen.

16
     
    Enzo hatte Carlo und Cal versteckt in einer Gruppe von Büschen in der Nähe der Kreuzung und des Grabs des Jungen gefunden.
    Auch wir fanden sie dort, als wir ans Ende der Line-Bahn gingen, um ein vorbeifahrendes Auto anzuhalten, das Etty schnellstens nach Newmarket bringen sollte. Etty, die verzweifelt oben auf der Galoppbahn aufgetaucht war, hatte zuerst wie alle anderen Zuschauer angenommen, die Schüsse seien ein Unfall gewesen. Eine verirrte Kugel, die irgend jemand abgeschossen hatte, der verbrecherisch leichtsinnig mit einem Gewehr umging.
    Ich sah, daß Unverständnis über die Wahl meines Transportmittels auf ihrem Gesicht stand – warum ich auf Lancat gekommen war und nicht mit dem Landrover –, aber ich bat sie lediglich mit sachlicher Stimme, nach Newmarket zu rasen und den Abdecker anzurufen und dann mit ihrem eigenen Wagen zurückzukommen. Sie schickte Andy mit Anweisungen für den Rest des Lots weg, und der erste Wagen, der vorbeikam, hielt an, um sie mitzunehmen.
    Alessandro ging mit fassungslosem, steinernem Gesicht über die Trainingsbahn, hinaus auf die Straße und kam auf mich zu. Er führte Lucky Lindsay am Zügel, den irgend jemand eingefangen hatte, aber seine Bewegungen waren so automatisch, als nehme er das Pferd gar nicht wahr. Drei oder vier Schritte von mir entfernt blieb er stehen.
    »Was soll ich tun?« fragte er. Seine Stimme war ohne Hoffnung oder Angst. Leblos. Ich antwortete nicht sofort, und das war der Augenblick, in dem wir es hörten.
    Eine leise, gequälte Stimme, die uns Unverständliches zurief.
    Erschrocken ging ich ein Stück die Straße entlang, trat durch einen dünnen Gürtel von Büschen, und dort fand ich sie.
    Alle drei. Enzo und Carlo und Cal.
    Es war Cal, der uns gerufen hatte. Er war der einzige, der dazu noch in der Lage war. Carlo lag ausgestreckt auf dem Rücken mit in die Sonne geöffneten Augen und einem scharlachroten Rinnsal, das ihm aus einem Loch in der Stirn sickerte.
    Cal hatte einen größeren, nasseren, sich ausbreitenden Fleck auf der Vorderseite seines Hemdes. Sein Atem ging flach und schnell, und die Anstrengung, laut genug zu rufen, um gefunden zu werden, hatte den größten Teil seiner Energie aufgezehrt.
    Die Lee Enfield lag quer über seinen Beinen. Seine Hand bewegte sich zuckend auf den Kolben zu, aber er hatte nicht mehr die Kraft, die Waffe aufzuheben.
    Und Enzo … Cal hatte Enzo mit der Lee Enfield aus einer Entfernung von etwa zwei Metern erschossen. Auf diese kurze Entfernung hatte sie sich einen Eintritt in Tellergröße gegraben.
    Die Wucht des Schusses hatte Enzo nach hinten geschleudert, gegen einen Baum. Nun saß er am Fuß dieses Baums, seine schallgedämpfte Pistole immer noch in der Hand, den Kopf auf die Brust gesunken. Wo sein Bierbauch gewesen war, war jetzt nur noch eine grauenhafte Masse, und sein Rücken war untrennbar mit der Borke verbunden.
    Ich hätte verhindert, daß Alessandro seinen Vater so sah, aber ich hörte ihn nicht kommen. Ich hörte nur das Stöhnen neben mir, und als ich mich jäh umdrehte, sah ich an dem Schweiß auf seiner Stirn, wie übel ihm war.
    Für Cal war sein Erscheinen dort mehr als makaber.
    »Sie …«, sagte er. »Sie … sind tot.«
    Alessandro starrte ihn nur an, zu schockiert, um zu begreifen, zu schockiert, um zu sprechen.
    Cals Augen öffneten sich weit, und seine Stimme wurde in einem Ausbruch nutzlosen Ärgers kräftiger.
    »Er sagte … ich hätte Sie getötet. Seinen Sohn getötet. Er war … von Sinnen. Er sagte … ich hätte wissen müssen, daß Sie es waren …« Er hustete, und Blut floß schäumend über seine Unterlippe.
    »Sie haben tatsächlich auf Alessandro geschossen«,
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