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Knochenbrecher (German Edition)

Knochenbrecher (German Edition)

Titel: Knochenbrecher (German Edition)
Autoren: Bernd Flessner
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seiner leisen inneren Stimmen Mona bei. Noch dazu schien diese Stimme schon länger Bescheid zu wissen. Vielleicht war es wirklich besser, auf sie zu hören. Ein paar asketische Tage hatten noch keinem geschadet. Auch den alten Whiskeys und Whiskys nicht. Neue Jeans brauchte er sich dann vielleicht auch nicht zu kaufen.
    »Was steht noch auf dem Programm außer Aqua minerale und Broccoli?«
    »Sport!«
    Auch mit diesem Urteil hatte Greven gerechnet. Bislang hatte ihn sein vor Jahren zerschossenes und wieder zusammengeflicktes Knie vor Exzessen dieser Art bewahrt. Doch Monas Auftritt und der Klang ihrer Stimme ließen ihn ein Engagement vermuten, dem nicht so leicht zu entkommen war. »Was schlägst du also vor?«
    »Fahrrad fahren!«
    »Aber wir fahren doch Fahrrad!«, sagte Greven erleichtert.
    »Das Fahrradfahren meine ich nicht. Das ist auch okay, reicht aber nicht aus. Darum habe ich heute ein Trimmrad gekauft.«
    »Auf so ein idiotisches Ding setze ich mich nicht!«, entfuhr es Greven, der eine klare Vorstellung von jenen Menschen hatte, die zu Hause oder in Fitnessbuden schwitzend stundenlang auf Kilometer- und Kalorienzähler starrten.
    »Und ob du dich auf so ein Ding setzt, und zwar jeden Tag, wenn du aus deinem Büro kommst!«
    »Auch ein Tipp von Jochen?«
    »Ja, auch ein Tipp von Jochen. Er hat gemeint, dein Knie würde damit schon fertig. Fahrradfahren ist dir ja auch sonst immer gut bekommen. Du kannst ja Musik dabei hören.«
    »Fantastisch«, gab Greven nach. »Und wenn mein Knie trotzdem …?«
    »Auch da gibt es Lösungen.«
    »Aber medizinisch ist da längst alles ausgereizt. Das sagt auch Jochen, den du ja so gerne zitierst.«
    »Das stimmt nicht ganz. Denn mit Massagen und Chiropraktik ist vielleicht noch was zu machen.«
    »Das sagt Jochen?«
    »Nein, das sagte Aline.«
    »Aline? Und wie ich die kenne, hat sie dich gleich mit einem ihrer Geheimtipps versorgt.«
    »Hat sie. Die Dame heißt Hedda Bogena und wohnt ausgerechnet …«
    »… in Greetsiel, ich weiß«, schmunzelte Greven kopfschüttelnd. »Sie ist außerdem kein Geheimtipp, in der Krummhörn kennt sie jedes Kind. Sie ist auch keine Chiropraktikerin, sondern eine Art Wunderheilerin. Du bist doch sonst so gegen jegliche Form von Esoterik!«
    »Bin ich auch. Ich weiß aber auch, dass ich Aline vertrauen kann. Und die schwört nun mal auf diese Frau. Aline sagt, die Bogena hätte einfach die richtigen Hände, das richtige Gespür. Mit Esoterik hat das nichts zu tun, sondern mit Begabung und Erfahrung. Denk doch an Alines Hexenschuss letzte Weihnachten. Zehn Minuten hat deine angebliche Wunderheilerin gebraucht. Zehn Minuten. Ganz ohne Spritzen, und Aline war wieder fit.«
    »Weiß Jochen, dass Aline zu Tante Hedda geht?«
    »Tante Hedda?«
    »So haben wir sie schon als Kinder genannt. Weiß es Jochen?«
    »Natürlich nicht. Das kannst du dir doch denken. Du weiß doch, wie empfindlich er bei diesem Thema ist. Aber mit dir hat das nichts zu tun. Für dich ist sie keine Konkurrenz, du bist kein Arzt. Du bist einfach nur ein Patient, dem deine Tante Hedda helfen kann. Ohne Esoterik, ganz rational durch die richtigen Griffe an der richtigen Stelle. Das ist alles. Am Samstag und elf Uhr dreißig.«
    »Du hast schon einen Termin gemacht? Auf keinen Fall gehe ich zu Tante Hedda, Mona. Auf keinen Fall. Ich brauche keine Wunderheilerin, ich brauche einen Whiskey, einen letzten vor der Trockenzeit! Dann mache ich auch alles mit. Alles, außer Tante Hedda!«

 
     
     
     
    3
    Das Haus von Tante Hedda war eigentlich ein Doppelhaus. Es stand gegenüber der Kutterslipanlage fast auf der Deichkrone und war schon zu Grevens Kindertagen Hexenhaus genannt worden. Wahrscheinlich auch schon vorher. Zwei weiße Giebel, die sich am Deich festkrallten, zwei Giebel, die zu einem winzigen Haus gehörten, in dem angeblich seit undenkbaren Zeiten das Böse lauerte. Als Greven mit fünfzehn oder sechzehn die Romane und Erzählungen von Howard Phillips Lovecraft entdeckt und sich zum ersten Mal nach Arkham und Innsmouth hatte entführen lassen, hatte er dieses Haus vor Augen gehabt. Denn hinter den zwei Giebeln spielten Geschichten, die denen des Sonderlings aus Providence nicht unähnlich waren. Die ersten, harmlosen hatte ihm seine Mutter erzählt, die anderen, haarsträubenden waren auf dem Schulhof im Austausch gegen einen Kaugummi oder Dauerlutscher zu erfahren gewesen.
    Soweit sich Greven erinnern konnte, kreisten diese Geschichten fast immer um neugierige
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