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Knochenbrecher (German Edition)

Knochenbrecher (German Edition)

Titel: Knochenbrecher (German Edition)
Autoren: Bernd Flessner
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fast zwei Jahrzehnten auf der Hebrideninsel in der größten der dortigen acht Destillerien abgefüllt worden war, stand nicht an ihrem vertrauten Platz. Sie war ebenso verschwunden wie die anderen Flaschen, wie die Grappas und Tresterbrände und die anderen Whiskys und Whiskeys. Der nach einem Berliner Tischler namens Vertikow benannte Schrank war stocknüchtern. Unwillkürlich und ohne Rücksicht auf sein Knie ging Greven in die Hocke und stocherte mit den Augen im ausgeweideten Schrank, während Miles Davis alles gab, um den Pharao tanzen zu lassen.
    »Gib dir keine Mühe!«, erreichte ihn Monas Stimme trotz Lautstärke fünf. »Und wenn du in den Schrank hineinkriechst, er bleibt leer!«
    Greven erhob sich langsam, das leere Glas noch immer in der Hand, und brachte nur ein »Aber …?« heraus.
    Mona machte ein paar schnelle Schritte auf die Anlage zu und reduzierte die Lautstärke auf einhalb.
    »Ich dachte, du wolltest heute …?«, unternahm Greven einen zweiten Anlauf.
    »Wollte ich auch. Doch dann hat mich Jochen angerufen«, antwortete Mona mit einer entschlossenen Miene, die Greven ebenso wenig verstand wie die plötzliche Trockenheit des Vertikos.
    »Jochen? Sag bloß, es ist schon wieder was mit Aline?«
    »Nein, es ist etwas mit uns, vor allem aber mit dir.«
    »Mit mir?«, wiederholte Greven, ohne auch nur einen Hauch von Ahnung zu erhaschen, was er spontan auf den extrem langen Tag schob, der noch in seinem Kopf klebte.
    »Du erinnerst dich doch sicher noch an das Blut, das uns Jochen vor zwei Wochen abgenommen hat.«
    Greven nickte zögernd, noch immer ohne Anhaltspunkt.
    »Heute sind die Ergebnisse gekommen. Hat ein bisschen gedauert, da Jochen ein großes Blutbild hat machen lassen.«
    »Und?«, fragte Greven, den Monas Überraschungsparty langsam zu nerven begann.
    »Meine Leberwerte gehen ja noch«, begann Mona und machte eine kleine Pause, »aber deine sind eindeutig im Keller. Da ist kein Spielraum mehr für Interpretationen und Ausreden, hat Jochen gesagt. Darum hat er mich auch angerufen. Ach ja, mit deinem Cholesterin sieht es auch nicht besonders gut aus.«
    Greven schaute kurz ins leere Glas und hatte endlich etwas Greifbares in der Hand. »Darum die Flaschen.«
    »Ja. Jochen hat mir ganz schön den Kopf gewaschen. Er hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass sich unser Lebenswandel …«
    »Welcher Lebenswandel?«
    »Genau so hat er sich ausgedrückt. Dass sich unser Lebenswandel dringend ändern muss.«
    »Und da hast du gleich das Vertiko leer geräumt?«
    »Hab ich. Denn Jochen hat uns dringend geraten, … ich soll dich übrigens ganz herzlich von ihm grüßen …«
    »Vielen Dank!«
    »Bitte. Also, Jochen hat uns dringend geraten, eine Weile abstinent zu leben. Wirklich abstinent.«
    »Auf die Panna müssen wir dann natürlich auch verzichten«, ergänzte Greven ironisch, der längst begonnen hatte, die Konsequenzen des letzten Arztbesuches auszuloten.
    »Ein guter Vorschlag«, nickte Mona. »Das ist genau die richtige Einstellung. Ich freue mich, dass du so einsichtig bist. Umso schneller können wir mit dem Programm beginnen.«
    »Mit welchem Programm?« Greven hatte offenbar dem Lot zu wenig Faden gegeben.
    »Mit dem Diät- und Gesundheitsprogramm, das ich mit Jochen besprochen habe. Fast zwei Stunden hat er sich dafür Zeit genommen. Obwohl heute sein freier Tag ist.«
    »Das sind eben wahre Freunde«, seufzte Greven und stellte das Glas auf das Vertiko. Er wusste genau, wann Widerstand zwecklos war und hielt es für besser, erst einmal nachzugeben. Mona kochte immer sehr heiß, aber gegessen wurde dann doch erst, wenn die Temperatur erträglich geworden war. »Warst du etwa noch bei ihm?«
    »Na klar, er hat mir die Werte, also diese verschiedenen Enzyme, um die es dabei geht, genau erklärt. Und was es bedeutet, wenn man sie im Blut nachweisen kann.«
    »Und er hat dir Angst gemacht.«
    »Ja, er hat mir Angst gemacht. Gerd, wir sind nicht mehr die Jüngsten. Wir trinken zu viel, wir bewegen uns zu wenig, wir sind zu dick. So sieht es aus.«
    Greven taxierte Monas Figur, ihre Taille, ihre Beine, die ihrer Jeans bestens standen. »Das ist lieb von dir, aber so hat das Jochen bestimmt nicht gesagt, denn auf dich trifft das ja gar nicht zu. Eigentlich hat er nur mich gemeint, … stimmt’s?«
    Mona sah ihn stumm an, doch Greven kannte die Antwort auch so, weil er Mona kannte. Obwohl er mühelos ein ganzes Arsenal von Gegenargumenten hätte aufbieten können, pflichtete eine
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