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Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Titel: Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht auch noch darüber den Kopf zerbrechen, wer im Moment Dienst hat. Verärgert denke ich an meinen Chefermittler Pete Marino, dem es inzwischen offenbar zu lästig geworden ist, den elektronischen Terminkalender zu aktualisieren. Wie schwer kann es denn sein, Namen von einer Datei in die andere zu ziehen, damit ich den Dienstplan vorliegen habe? Er lässt das nun schon geraume Zeit schleifen und verbunkert sich außerdem. Wahrscheinlich sollte ich ihn zum Essen zu mir nach Hause einladen, eines seiner Lieblingsgerichte kochen und ihn fragen, was ihn bedrückt. Allerdings zerrt diese Vorstellung an meiner Geduld, und von der habe ich derzeit viel zu wenig.
    Ein Geistesgestörter. Oder vielleicht wäre
böse
das bessere Wort.
    Ich spitze die Ohren, um herauszufinden, wer sich hier herumdrückt, höre aber nichts. Währenddessen durchforste ich das Internet, klicke Dateien an und grüble immer wieder über dieselben Fragen nach. Allmählich wird mir klar, wie viel Kraft mich das kostet und wie wütend es mich macht.
    Jetzt hast du ausnahmsweise mal bekommen, was du wolltest.
    Ich habe wirklich schon viele grausige und abstoßende Dinge gesehen und stecke das alles irgendwie weg. Doch am gestrigen Abend bin ich völlig überrumpelt worden. Es war ein ruhiger Sonntag zu Hause mit Benton, meinem Mann. Musik spielte, und das MacBook stand aufgeklappt auf dem Tisch, nur für den Fall, dass etwas geschehen sollte, von dem ich sofort erfahren musste. Ich war völlig entspannt und in die Aufgabe vertieft, eines seiner Lieblingsgerichte zuzubereiten,
risotto con spinaci come lo fanno a sondrio.
Während ich darauf wartete, dass das Wasser im Topf kochte, trank ich einen Riesling Geheimrat »J«, der mich an unsere kürzliche Wienreise und den emotionsgeladenen Grund dafür erinnerte.
    Und so schwelgte ich in Erinnerungen an geliebte Menschen, kochte ein köstliches Essen und genoss dabei einen leichten Wein, als um Punkt 18  Uhr 30  Ostküstenzeit die E-Mail mit angehängter Videodatei auf meinem Computer landete.
    Den Absender kannte ich nicht: [email protected].
    Es gab keine Nachricht, nur einen Betreff: ZU HÄNDEN VON CHIEF MEDICAL EXAMINER KAY SCARPETTA , fett und in Großbuchstaben.
    Anfangs wusste ich mit dem achtzehnsekündigen Video ohne Ton nichts Rechtes anzufangen, zusammengestückelte Szenen einer Fahrt mit dem Schnellboot in einem mir unbekannten Teil der Welt. Bei der ersten Durchsicht erschien mir der Film harmlos und sagte mir auch nicht viel, und ich war sicher, dass jemand ihn mir versehentlich geschickt hatte. Doch dann stoppte die Aufnahme plötzlich und wurde von einer jpg-Datei abgelöst, einem Bild, das den Betrachter ganz offensichtlich schockieren sollte.
    Wieder lasse ich eine Suchanfrage in den Cyberspace los, da ich nicht viel Hilfreiches über den Pachyrhinosaurus finden kann, einen pflanzenfressenden Dinosaurier mit breiter Schnauze, einem verhornten Gesichtspanzer und einem flachen Wulst. Ein ausgesprochen merkwürdiges Geschöpf, das einem zwei Tonnen schweren kurzbeinigen Rhinozeros mit einer grotesken Knochenmaske ähnelte, denke ich mir, als ich die gezeichnete Abbildung betrachte. Ein Reptil mit einem Gesicht, das man nicht leicht liebgewinnt. Allerdings ist es Emma Shubert gelungen, und nun fehlt der achtundvierzigjährigen Paläontologin ein Ohr. Vielleicht ist sie auch tot. Oder beides.
    Die anonyme Mail wurde direkt ans CFC , das Cambridge Forensic Center, geschickt, dessen Leiterin ich bin. Ich stelle mir vor, wie ein Schnellboot über einen Tausende von Kilometern nordwestlich von hier gelegenen Fluss in einem gottverlassenen Winkel der Erde rast. Ich mustere die überbelichtete gespenstische Gestalt im Heck, die vermutlich auf einer Bank sitzt, und zwar direkt gegenüber der Person mit der Kamera.
    Wer bist du?
    Und im nächsten Moment wird der steile, felsige Abhang, wie ich inzwischen weiß, eine Ausgrabungsstätte für Dinosaurier, von einem grausigen und abstoßenden Foto abgelöst.

Zwei
    Das abgetrennte menschliche Ohr ist zart und klar konturiert. Die geschwungene Ohrmuschel ist unbehaart.
    Ein rechtes Ohr. Vermutlich weiß. Oder hellhäutig, genauer kann ich es nicht feststellen. Wahrscheinlich von einer Frau, ganz sicher nicht das Ohr eines erwachsenen Mannes oder eines Kleinkindes. Allerdings kann ich ein älteres Mädchen oder einen Jungen nicht ausschließen.
    Das Ohrläppchen ist genau in der Mitte durchstochen. Das blutige Stück Zeitung, auf dem das Ohr
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