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Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Titel: Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Autoren: Patricia Cornwell
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Eurostile zu schreiben und die Zeile anschließend in die Mail einzufügen.
    »Er hat mit dem Absenden neunundzwanzig Minuten gewartet«, spricht Lucy weiter. »Leider weiß er nun zu seiner Freude, dass die Mail geöffnet worden ist.«
    »Woher weiß er das?«
    »Weil er keine Rückmeldung, keine Nondelivery-Notice, erhalten hat«, entgegnet sie. »Denn die wäre wenige Sekunden bevor das Konto sich selbst gelöscht hat, eingetroffen. Also hat er keinen Grund anzunehmen, dass die Mail nicht geöffnet worden ist.«
    Ihr Tonfall hat sich verändert. Jetzt klingt sie, als wolle sie mich tadeln.
    »Die Rückmeldung erfolgt sofort, wenn es sich um eine unerwünschte oder mit Viren infizierte Nachricht handelt, die an die Hauptadresse des CFC geht«, erinnert sie mich. »Der Zweck der Übung ist, dem Absender den Eindruck zu vermitteln, dass die Mail nicht zugestellt werden konnte. In Wirklichkeit aber landen verdächtige Mails, bis auf wenige und bedauerliche Ausnahmen, in einem Ordner, der bei mir
Quarantäne
heißt, damit ich sie begutachten und den Grad der Gefährlichkeit einschätzen kann«, betont sie, und inzwischen ahne ich, worauf sie hinauswill. »Diese Mail habe ich deshalb nie zu Gesicht bekommen, weil sie nicht im Ordner
Quarantäne
geendet ist.«
    Mit den
wenigen und bedauerlichen Ausnahmen
meint sie mich.
    »Die Firewalls, die ich eingerichtet habe, haben die Mail als unbedenklich eingestuft, und zwar wegen des Betreffs
Zu Händen von Chief Medical Examiner Kay Scarpetta
«, verkündet sie, als ob das meine Schuld wäre, was auch stimmt. »Alles, was direkt an dich adressiert ist, wird nicht auf Spam-Verdacht untersucht oder im
Quarantäne
-Ordner zwischengelagert, weil das deine Anweisung an mich war. Gegen meinen Wunsch, wie du sicher noch weißt.«
    Sie sieht mir in die Augen, und sie hat recht. Doch das Kind ist nun mal in den Brunnen gefallen.
    »Siehst du jetzt, welche Folgen es haben kann, wenn ich dir erlaube, meine Sicherheitsmaßnahmen zu unterlaufen?«, hakt sie nach.
    »Ich verstehe, dass du verärgert bist, Lucy. Doch es handelt sich um den einzigen Weg, auf dem die Menschen, insbesondere Polizisten oder Angehörige, mich erreichen können, wenn sie meine direkten Kontaktdaten beim CFC nicht kennen«, wiederhole ich zum wohl tausendsten Mal. »Wenn mir jemand etwas zu meinen Händen schickt, will ich ganz sicher nicht, dass es zwischen den Spams untergeht.«
    »Ein Jammer nur, dass du die Mail als Erste geöffnet hast«, erwidert Lucy. »Normalerweise wäre Bryce dir zuvorgekommen.«
    »Zum Glück ist er das nicht.« Mein Verwaltungschef ist nämlich sehr sensibel und äußerst zart besaitet.
    »Richtig. Er hat die Mail nicht gesehen, weil er gerade auf dem Rückweg von einer Reise war. Er und einige andere waren eine Woche lang weg«, stellt Lucy fest, als ob der Zeitpunkt kein Zufall wäre.
    »Machst du dir Sorgen, der Absender der Mail könnte wissen, was sich beim CFC so tut?«, frage ich.
    »Richtig.«
    Sie rollt sich einen Stuhl heran und schenkt Kaffee nach. Der frische Grapefruitduft ihres Parfüms steigt mir in die Nase. An ihm erkenne ich stets selbst mit geschlossenen Augen, ob meine Nichte in einem Aufzug oder einem Raum gewesen ist. Der Geruch ist unverwechselbar.
    »Es wäre leichtsinnig, die Möglichkeit auszuschließen, dass sich jemand für uns und unsere Arbeit hier interessiert«, fügt sie hinzu. »Jemand, der Spielchen treibt und denkt, dass er schlauer ist als der liebe Gott. Ein Mensch, der Spaß daran hat, andere in Angst und Schrecken zu versetzen und sie nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.«
    Inzwischen steht für mich fest, warum sie sich heute Morgen in meinem Büro herumdrückt. Sie ist gekommen, um
etwas nachzuschauen,
weil sie überbehütend und außerdem ausgesprochen argwöhnisch ist. Seit Lucy laufen gelernt hat, fordert sie meine Aufmerksamkeit und beobachtet mich mit Argusaugen.
    »Befürchtest du, Marino könnte in die Sache verwickelt sein? Dass er mir nachspioniert oder mir sonst irgendwie schaden will?« Ich logge mich in meine Mails ein.
    »Ihm sind zwar alle möglichen Dummheiten zuzutrauen«, erwidert sie, als schwebten ihr dabei ein paar ganz bestimmte vor. »Aber für so etwas ist er nicht schlau genug. Welches Motiv sollte er außerdem haben? Die Antwort lautet: gar keins.«

Vier
    Ich gehe meine Posteingänge durch, suche nach Mails von Bryce und Staatsanwalt Dan Steward, denn ich hoffe noch immer, dass sich mein Erscheinen vor Gericht erübrigen
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