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Knochen-Mond

Knochen-Mond

Titel: Knochen-Mond
Autoren: Jason Dark
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geschossen. Das brauchte er auch nicht, wie ich sah, denn ohne merklichen Übergang befanden wir beide uns wieder in der Realität. Wie sonst hätten wir direkt gegen den ungewöhnlich geformten Felsen schauen können, der eine Schnauze wie ein Krokodil aufwies und der den Menschen als Schlafplatz für ihre Alpträume diente.
    »Was ist das…?« hauchte ich und trat direkt an Zebuions Seite.
    »Jericho!«
    »Ich sehe ihn nicht.«
    »Glaub mir, er ist da.«
    »Und wo, bitte?«
    »Vielleicht steckt er im Felsen«, flüsterte er, wollte vorgehen, brach aber zusammen.
    Dies geschah so schnell, daß ich ihn nicht auffangen konnte. Er drehte sich vom Bauch her auf die Seite, rollte sich dann auf den Rücken, und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerzen und Pein, als er mir entgegenkeuchte: »Es ist vorbei, John. Ich… ich verwandle mich zurück. Ich kann nicht mehr Zebuion sein. Ich bin nicht der Schattenkrieger. Jericho hat uns reingelegt. Ich bin in der anderen Welt, wenn der Knochenmond scheint und ich den Ruf höre. Sorry, John, ich…«
    »Okay, schon gut, Alter. Du wirst wieder zu Barry F. Bracht. Es wird noch andere Zeiten geben, verlasse dich darauf.«
    »Versuche es, John, versuche es.«
    Ich konnte nicht mehr hinblicken, wie sich der Schattenkrieger zurück in den Lektor Bracht verwandelte, dann über mir nahm das Strahlen des Knochenmondes an Intensität zu.
    Aber war es noch der gleiche Mond?
    Vielleicht, nur konnte ich die Knochen nicht mehr sehen. Sie hatten sich innerhalb des Kreises aufgefüllt, und etwas anderes war draus entstanden.
    Ein Gesicht.
    Rund, babyhaft und gleichzeitig widerlich. So sah Jericho aus!
    ***
    Allein stand ich ihm gegenüber. Ich starrte auf seinen kleinen Mund, der sich zu einem dämonischen und wissenden Lächeln verzog. Klar, er war gespannt darauf, wie ich reagieren würde. Er vertraute möglicherweise darauf, daß er unerreichbar fern für mich war. Stimmte das-auch?
    Ich war mir nicht so sicher, denn die Entfernung von mir bis zum Mond war schlecht abzuschätzen. Das konnten tausend und mehr, aber auch nur hundert Yards sein.
    Ich ging das Risiko ein und zog meinen Bumerang hervor. Das Ziel war leicht anzuvisieren. Ich wollte auch nicht mehr reden und dem Wesen Zeit geben, ich mußte handeln.
    Und deshalb schleuderte ich den Bumerang genau auf den verdammten Mond zu.
    Nein, es war nicht wie im Märchen, obwohl es mir so vorkam. Ich stand allein, ich verfolgte den Weg der silbernen Banane, die ich beim Wurf angeschnitten hatte, so daß sie beim Flug noch in kreisende Bewegungen geriet, sehr schnell war - und in das Ziel hineinraste. Ich konnte es kaum glauben, daß ich derart immense Kräfte besaß, um diesen Mond zu erreichen. Es mußte so gewesen sein, daß die Kraft des Knochenmonds den Bumerang angezogen hatte, und dann peitschte er in das bleiche Rund hinein, stanzte sich förmlich in das widerliche Babygesicht des Dämons, und er zertrümmerte es mit der Kraft seiner herrlichen Weißen Magie.
    Ich stand da und konnte nicht anders, als diesem einmaligen Schauspiel zuzusehen.
    Der Bumerang vernichtete den Knochenmond wie eine alte Kugellampe. Er wurde zerrissen, die letzten Reste jagten zackenhaft und strahlenförmig in den tiefdunklen Nachthimmel, wo sie Lücken in die Finsternis hineinrissen, die später dann wieder zusammenfielen, so daß sich eine geschlossene Decke ausbreitete.
    Wo war das Gesicht?
    Über den Himmel jagte ein hohles Kreischen, ein katzenhaft schrilles Gejammer, und ich glaubte, die aufgeblähten Wolken zu erkennen, die sich weit im Westen verzogen.
    Jerichos Ende?
    Vorerst zumindest. Es würde hoffentlich dauern, bis er sich wieder seine Welt aufgebaut hatte. Als ich das Klirren hörte, war der Bumerang zurückgekehrt und auf einer Felskante gelandet.
    Ich wollte hingehen und ihn aufheben, aber die leise Stimme Brachts hielt mich zurück.
    »Verdammt, was ist mit mir, John?«
    »Tut mir leid, alter Junge. Aber du mußt dich daran gewöhnen, mit zwei Existenzen zu leben.«
    »Vielleicht ist das der Grund«, murmelte er.
    »Für was?«
    »Für meine Müdigkeit…«
    Ich konnte darüber nicht einmal lachen. Kopfschüttelnd lief ich zurück und kletterte in die Felsen, wo zahlreiche Menschen dabei waren, aus ihren Alpträumen zu erwachen.
    Unter anderem auch Dennis, neben dem ich stehenblieb und ihm meine Hand reichte. »John?«
    »Ich bin es tatsächlich.«
    »Das ist komisch, John. Ich habe was geträumt, in dem wir alle mitgespielt haben. Von einer
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