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Klostergeist

Titel: Klostergeist
Autoren: Silke Porath
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Wohnung auf.
    So ein Mist, wenn ich nicht hinter diesem blöden Lastwagen gehangen hätte!, dachte sie gerade, als auch schon Thorben Fischer die Beifahrertür öffnete und einstieg.
    Hälble rümpfte die Nase. »Thorben, hast du wieder in diesem unsäglichen Rasierwasser gebadet?« Der Kälte des frühen Novembermorgens zum Trotz drückte sie mit beiden Händen auf sämtliche Knöpfe ihrer Fensterheber.
    Fischer war geschniegelt und gebügelt. Der blonde Hüne mit der weichen Haarwelle über der Stirn, die er gerne effektvoll zurückstrich, trug schwarze Budapester, eine dunkelgraue Wollhose bester Provenienz, die ein Armani-Gürtel an den schlanken Hüften hielt. Darüber ein blütenweißes Hemd, um seinen Hals war ein cremefarbener Seidenschal mit Paisley-Muster in den Hemdkragen geschlungen. Es folgte ein kariertes Tweed-Jackett mit Lederbesatz und -knöpfen und ein schwarzer Paletot aus vielen Metern feinstem Kaschmir, der jedem Startenor zur Ehre gereicht hätte.
    Verena dagegen hatte sich schnell in ihre Jeans und die bequemen Timberland-Boots geworfen, einen hellblauen Rollkragen-Pullover darüber gezogen und war in ihre Daunenjacke geschlüpft.
    Sie legte den Gang ein, fuhr in hohem Tempo die Gartenstraße entlang und bog dann in die Dreifaltigkeitsstraße ein, die direkt zum Kloster führte.
    Keine zehn Minuten zuvor war die morgendliche Ruhe auf dem Berg einer hektischen Betriebsamkeit gewichen. Mittlerweile war es kurz nach sechs und die Sonne begann so langsam, die Schatten der Nacht aus dem Tal zu fegen. Nur wenige Bürger sahen die Prozession aus Blaulichtern, die sich den Berg hinaufschlängelte. Dem Notarztwagen folgten die beiden Streifenwagen der Spaichinger Wache. Dahinter fuhr der Feuerwehrkommandant in dem erst vor einem halben Jahr angeschafften knallroten Passat. Den Schluss bildete der Krankenwagen, an dessen Steuer ein mit der Müdigkeit kämpfender DRK-Mann saß.
    Der Färber-Bauer verdrehte die Augen, als er die Blaulichtkolonne an seinem Hof vorbeirasen sah. Missmutig klatschte er das Heu in die Schubkarre, um die Kühe zu füttern. »So, hett sich au mol wieder ein Jogger sein Glenk verrenkt«, brummte der Färber. »Sälbr schuld, koin Mensch muss uff den Berg renna.« Ihm waren, wie vielen alteingesessenen Spaichingern, die Sportler, welche den Berg und besonders den Prozessionsweg durch den Wald zum Training nutzten, suspekt. Warum führte eine bequeme Straße zum Kloster und der benachbarten Gaststätte? Eben! Aber hätte der Bauer geahnt, dass kein verunglückter Jogger Ziel von Polizei und Arzt waren – sicher hätte er seine Mistgabel in die Ecke geschmissen und sich mit seinem Traktor auf den Weg zum Kloster gemacht.
    Als Hälble und Fischer auf dem Berg ankamen, sahen sie schon von Weitem die Gruppe unterhalb des Turmes, deren äußerer Ring die entsetzt gestikulierenden Brüder in ihren dunklen Kutten bildete. Polizeimeister Eugen Weckerle war gerade dabei, die Unglücksstelle mit einem Band abzusperren, als er die beiden Kommissare erkannte und zur Kapelle durchließ, was Verena mit einem »Grüß Gott, Weckerle« und Thorben mit einem knappen »Tach« beantworteten. Weckerle quittierte Letzteres wiederum mit einem nicht sehr freundlichen Stirnrunzeln und einem leise gemurmelten »Fischkopf.«
    Thorben Fischers bisherige Stationen waren in Kiel, Hamburg, Bremen und Bremerhaven gewesen und überall hatte er eine Exfreundin hinterlassen. Er hatte es sich angewöhnt, nach einer Trennung lieber die Stadt zu wechseln und nicht seine schlechten Gewohnheiten, wie zum Beispiel, sich neben jeder Freundin mindestens noch eine Geliebte zu halten oder sich zu Hause als Pantoffelheld aufzuführen. Als dann nach seiner vierten gescheiterten Beziehung rund um seine Heimatstadt Husum die norddeutschen Großstädte knapp wurden, entschloss er sich, sein Glück im Süden zu suchen.
    Fischers kurzes Gastspiel im Stuttgarter Polizeirevier Süd endete allerdings bereits nach wenigen Wochen mit einem kleinen Eklat: Als Carlo Guiccetti, genannt Carletto il Diavolo, der leutselige Besitzer mehrerer italienischer Restaurants in der Stuttgarter Innenstadt mit absolut zu vernachlässigenden Kontakten zur Mafia, wegen Drogenhandels in größerem Stil nach einem Überraschungscoup der Polizei im Stuttgarter Hafen frühmorgens in seinem Haus festgenommen wurde, fand man Fischer bei der anschließenden Durchsuchung von Guiccettis Wohnhaus im ersten Stock. Im Zimmer von Carlos Tochter. Mit der Tochter,
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