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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition)
Autoren: Tobias O. Meißner
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verwehte.
    Ihr Verfolger hatte entweder angehalten oder sich in Luft aufgelöst. War verdunstet, anstatt zu verdursten. Erenis lächelte mit trockenen Lippen. Sie nahm einen Schluck aus ihrem Wasservorrat und nahm ihr Schwert in die Hand. Beides tat wohl.
    Dann kletterte sie weiter. Es war gar nicht steil, nur leicht schräg, jedoch glatt und unberechenbar. Stellenweise sah es aus, als würden Schieferplatten einfach nur lose aufeinander liegen.
    Unfreiwillig rutschte sie ein Stück weit abwärts. Gestein hatte sich gelöst und zu fließen begonnen. Sie fand keinen Halt mehr und wurde Teil einer kleinen Lawine. Diese jedoch fing sich an einem Vorsprung, auf den auch Erenis gespült wurde. Der Umweg war gar nicht groß. Von hier aus vermeinte sie sogar einen leichter zu begehenden Pfad zum geschmolzenen Eingang zu sehen.
    Sie nahm diesen Pfad.
    Die Staubfahne bildete sich nicht mehr. Hinter irgendeiner der Dünen musste der von ihr Besessene angehalten haben und pirschte sich nun wahrscheinlich zu Fuß näher. Plötzlich bereute sie, ihn ignoriert zu haben, denn mit einer Armbrust konnte er sie von unten herauf ganz bequem beschießen. Sie abklacken wie eine räudige Katze. Das war kein würdiger Tod für eine Klingentänzerin. Noch dazu so dicht davor, dem Hass ihres Daseins Auge in Auge gegenüberzustehen.
    Sie beeilte sich, verdoppelte ihr Bestreben.
    Bevor irgendein Bolzen ihre Mühen zunichtemachen konnte, erreichte sie endlich den wie Tropfstein aussehenden Eingang.
    Jetzt hörte sie wieder das Kinderlachen. Mädchen. Ganz deutlich.
    Es war wie eine Erinnerung an die Schule. Selten hatten die Mädchen Grund zum Lachen gehabt, aber umso ausgelassener und kostbarer war es dann jedes Mal gewesen.
    Erenis verspürte einen Stich in ihrem Herzen bei dieser Rückbesinnung. Wie lange war es her, dass sie das letzte Mal unbeschwert hatte lachen können? Worüber sollte sie denn lachen, wenn nicht über die Schwäche von Männern?
    Es gab Mädchen hier.
    Ihr dämmerte der Beweggrund dafür. Ugon Fahus war im Begriff, eine neue Schule ins Leben zu rufen. Der Albtraum aus Angstschweiß und Gewalt begann von Neuem.
    Erenis atmete.
    Vor ihr lag ein Gang, der ins Innere führte. Und in die Vergangenheit, wie es schien.
    Dieser Gang roch wie etwas, das sie schon seit vielen Jahren vergessen hatte: Kindheit in Ketten. Klingenträume. Das Größer- und Besserwerden einzig zum Zweck der Konfrontation.
    Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten angesichts all dieser angestauten Ungerechtigkeiten, und sie ärgerte sich darüber. Ihr Kaftan störte sie nun. Sie zerrte ihn zu Boden, befreite auch ihre umwickelten Finger, stand nun nur noch in ihrem Leder da, ihr Schwert in der Hand, das von Ladiglea am Rücken. Fleisch und Knochen und Sehnen und Haut und Haare und Stahl, sonst nichts. Narben beschrifteten ihren Leib, Blutstaben die beiden Klingen.
    Sie drang in den Berg ein.
    Und fand als Erstes Bedienstete.
    Es waren Wüstenfrauen mit verschleierten Gesichtern, die herumhuschten, vor ihr zurückwichen, aber ihr auch Platz machten oder ihr sogar den Weg ins Innere wiesen wie einem geschätzten Gast.
    Diese Frauen waren die neuen Uleandras. Wie diese auch würden sie der Schule ihre Treue halten, bis diese brannte oder in der Wüstensonne schmolz. Sie würden alt werden, während die Tänzerinnen immer jung blieben, weil es immer neue Generationen gab, die tanzen mussten.
    Es würde aufhören. Sie würde es beenden. Heute noch. Heute schon.
    Erenis arbeitete sich voran, durch gekrümmte Gänge mit brennenden Kerzen und tropfendem Wasser. Das Innere des Berges der Masken schien voller Feuchtigkeit zu sein. Der ganze Berg wie eine Maske, wie das Umschließen eines Geheimnisses, das vor der Wüste gewahrt wurde.
    Sie tastete sich voran und fühlte sich beinahe wohlig. Die Temperatur hier drinnen war sehr angenehm.
    Dann erreichte sie den ersten größeren Saal, und ihr Herz stockte beinahe.
    Dort saß er!
    Sie konnte ihn sofort sehen, schon vom Gang aus.
    Auf einem aus Bast geflochtenen Thron saß er da, angetan in der schweren dunklen Rüstung des Kriegslehrers. Neben ihm stand Neeva. Beschützte ihn. Schirmte ihn ab.
    Neeva trug das dunkle Kapuzengewand, wie schon in Brendin Grya. Nichts Schweres, Eisenbeschlagenes, sondern etwas Wüstentaugliches, das schnelle Bewegungen ermöglichte. Durch Erenis’ Körper lief ein Schauern, eine Erinnerung an all die unzähligen Gefechte gegen ihre stärkste Rivalin. Unwillkürlich straffte
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