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Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Titel: Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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anderen, zu finden. In dieser Überzeugung wirkt die bittere Ernsthaftigkeit, mit der Muslime sich Karikaturen über Mohammed verbitten, kleinlich.
    WUNDER sind unmöglich
    »Wunder gibt es immer wieder …«, heißt es in einem bekannten Schlager. Aber wer glaubt denn so etwas noch? Heute sprechen wir von Wundern meist, wenn Ereignisse den Naturgesetzen zu widersprechen scheinen. Alles, was sich natürlich erklären lässt, kann kein Wunder sein – eigentlich gibt es heute keine Wunder mehr, für alles lässt sich doch irgendeine rationale Erklärung
finden. Im Kontrast dazu steht der inflationäre Gebrauch des Ausdrucks »Wunder« auch für wissenschaftliche Phänomene und Entdeckungen: Von Wundern der Technik, der Medizin, der Genforschung ist da die Rede. Was genau verstehen Christen heute eigentlich unter Wunder? Gehören sie allein in den Bereich der Schlagertexte und der naiven Religiosität oder betreffen sie uns noch?
    Von der Schönheit der Natur bis zu großen technischen Errungenschaften, von Heilungen und Rettungen bis zu Visionen und weinenden Heiligenstatuen, was uns verwundert oder wunderbar erscheint, nennen wir oft Wunder. Aber sofort schleichen sich Zweifel ein, man möchte doch so gerne glauben, dass es auch wirklich ein Wunder ist, also müssen Beweise her: »Erst wenn du mir das Wunder beweist, kann ich es anerkennen!« Dabei wird übersehen, dass die Unbeweisbarkeit zum Wesen der Wunder gehört. Wunder lassen sich nur erfahren. Wunder führen auch nicht zum Glauben – jedenfalls, wenn man unter Glauben mehr versteht als naives Für-wahr-Halten –, sie setzen den Glauben vielmehr schon voraus. Das betont auch Jesus in den Wundererzählungen des Neuen Testaments immer wieder. Wundertaten als Beweise lehnt er ab: »Was fordert doch dieses Geschlecht ein Zeichen? Wahrlich, ich sage euch: Es wird diesem Geschlecht kein Zeichen gegeben werden!« (Markus 8,11) Jesus wusste, dass Wundertaten ohne schon vorhandenen Glauben oft als Scharlatanerie gedeutet werden. Baten ihn aber Menschen um Hilfe, die Hoffnung hatten und wirklich glaubten, dass Jesus ihnen helfen könne, verwehrte er sie ihnen nicht. Wenn Jesus dem Blinden, der wieder sehend geworden ist nach der Heilung, sagt: »Dein Glaube hat dir geholfen« (Lukas 18,42), wird deutlich: Er versucht sich mit seinen Taten – die im Neuen Testament übrigens meist »Zeichen« oder »Machttaten« und nicht Wunder genannt werden – nicht selbst darzustellen oder zu beweisen. Die Grundlage dafür, dass das Wunder geschieht, ist der Glaube des Geheilten.
    Jesus war in seiner Umgebung nicht der einzige Wundertäter. In der damaligen Zeit waren solche Geschehnisse viel üblicher als
heute. Die Menschen wussten noch nichts von Naturgesetzen und sahen die Wunder als Zeichen dafür an, dass Göttliches in die Welt hineinwirkt. Jesus verkündete den Menschen das anbrechende Reich Gottes. Die Wunder lassen dies konkret erfahrbar werden. Hoffnung wird möglich, wo alles aussichtslos schien, Menschen werden satt und heil, körperlich wie geistig.
    Sicher muss man nicht alle Wundergeschichten genauso für wahr halten, wie sie in der Bibel stehen. Sicherlich sind sie im Verlauf der Überlieferung auch aufgebauscht und übertrieben worden. Und dennoch: Der Versuch, sie rational wegzuerklären, der immer wieder unternommen wird, geht an ihrem wahren Gehalt vorbei. Und treibt gelegentlich Blüten, die noch absurder scheinen als die Wundergeschichten selbst: Davon, dass Jesus im Nebel über im Wasser schwimmende Baumstämme lief, als er übers Wasser ging, ist dann plötzlich die Rede. Oder davon, dass das Boot bei der Sturmstillung lediglich gerade um eine Landzunge gebogen war. Und die Toten, die Jesus auferweckt haben soll, seien eigentlich nur scheintot gewesen. Während in charismatischen Gemeinschaften angebliche Wunder in öffentlichen Gottesdiensten oft großartig zur Schau gestellt werden – da stehen Gelähmte plötzlich aus ihrem Rollstuhl auf, oder zunächst Schmerzgekrümmte beginnen jubelnd Gott zu loben –, erkennt die katholische Kirche Wunder, die etwa an berühmten Wallfahrtsorten geschehen, nur an, wenn sie von einer kirchlichen Untersuchungskommission zweifelsfrei als über- oder widernatürlich ausgewiesen worden sind. Beides hinterlässt ein ungutes Gefühl beim Beobachter, scheint hier doch zugunsten des offensichtlich unstillbaren menschlichen Verlangens nach beweisbaren Wundern vergessen zu werden, was schon Jesus wusste: Wunder kann man
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