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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe
Autoren: Silke Schuetze
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an. »Ich habe nur Cheng eingeladen. Aber er findet Akkordeonmusik einfach gut.«
    Wie aufs Stichwort stellt Stanislaw das Glas weg, greift zum Instrument und spielt einen Tango. Cheng zieht Tina vom Stuhl hoch.
    »Ich kann keinen Tango tanzen«, wehrt sie peinlich berührt ab. Cheng zieht sie an sich. »Du lernst jetzt!« Und ich sehe staunend, wie Tina ihren Widerstand aufgibt und sich in seine Arme schmiegt.
    Ich spüre Andreas’ Lippen in meinem Nacken. »Komm, lass uns die Kinder ins Bett legen und nach oben gehen«, murmelt er. Wir verlassen unsere Gäste, die uns bereits völlig vergessen haben.
    Während in der Ferne letzte Böller krachen und von unten süß und melancholisch Tangomelodien heraufdringen, nimmt Andreas seine Brille ab. Er zieht mich aufs Bett. »Ich habe keine Ahnung, wohin unsere Reise letztlich führt. Aber ich freue mich darauf. Denn weißt du was? Eine Frau mit zwei kleinen Kindern, in deren Küche ein Chinese Tango zur Musik eines russischen Akkordeonspielers tanzt, die darf ein Mann nie wieder loslassen.«

Epilog
    D ie kleine griechische Bucht gehört uns fast allein. Manchmal kommen Familien aus dem Ort zum Schwimmen. Die größeren Jungen fangen Tintenfische, die später im einzigen Restaurant am Strand serviert werden. Wir essen dort jeden Tag: Fisch, Calamares, Salat, Grillkartoffeln. In dem weißen, zweistöckigen Haus gibt es drei einfache Wohnungen. Zwei Zimmer, Küche, Bad. Wir bewohnen das Apartment im Erdgeschoss links. Die Wohnung neben uns steht noch leer. Oben wohnt Jannis, der Vermieter, ein freundlicher Mann Anfang vierzig, der im Hauptberuf Lehrer für Mathematik ist.
    Ich sitze im leichten Sommerkleid auf der Terrasse und schaue über das Meer, das türkisfarben glitzert. Amélie und Lisa-Marie hocken vor dem kleinen Planschbecken, das wir unter das Sonnensegel gestellt haben. Mit großem Ernst und unablässig vor sich hin plappernd gießen sie Wasser von einem Förmchen in ein anderes, lassen ihre Spielschiffchen zu Wasser und planschen selbstvergessen. Unten am Strand liegt das Segelboot, mit dem wir schon mehrfach hinausgesegelt sind. Die Kinder und ich tragen dabei Schwimmwesten, und die Kleinen sind zusätzlich mit einer Schnur gesichert.
    Ich höre Andreas’ Schritte auf dem Kies und drehe mich nach ihm um. Er ist braun gebrannt, sein helles Hemd leuchtet in der Sonne. Er küsst mich auf die nackte Schulter und rückt einen Stuhl neben meinen. Jetzt erst sehe ich, dass er seinen iPod in der Hand hält.
    »Im Gästezimmer in der Wiesenstraße hängt noch immer das Plakat dieser Gruppe ›Die Befreiung‹«, sagt Andreas. »Ich habe mich immer gefragt, woran die mich erinnert. Irgendwie kannte ich die. Aber woher? Vor dem Urlaub habe ich die Kartons auf meinem Speicher durchsucht. Ich habe die Platten von Johannes gefunden. Da bin ich endlich fündig geworden.« Er nimmt meine Hand und schiebt mir den iPod zwischen die Finger. »Johannes besaß eine von dieser Gruppe. Oder, besser gesagt: vom Leadsänger. Stell dir mal vor: Johannes und Lilli haben sich vielleicht gekannt. Oder sie waren mal gemeinsam auf einem Konzert dieser Gruppe.«
    »Und jetzt hören sie da oben gemeinsam die Musik?«
    Andreas nickt. »Ist doch eine schöne Vorstellung. Hör dir mal dieses Lied an. Nein, lass es uns zusammen hören.«
    Ich stecke einen Kopfhörer in mein linkes Ohr, Andreas steckt den anderen in sein rechtes Ohr, und dann hören wir Wange an Wange:
Wenn wir Glück haben
endet es am Strand
du hältst meine Hand
und wir sitzen dort im Sand
auf unseren Campingstühlen
mit einem guten Gefühl
das die Zeit überstand
wenn wir Glück haben
sind wir zusammen.
    Ich sitze in der Sonne, im leichten Wind, der vom Meer heraufweht, und bin der reichste Mensch der Welt.
    Vor uns glitzern die Wellen, der Himmel wölbt sich blau. Weiße kleine Schiffe schwimmen über den Horizont.

Sachdienlicher Hinweis und Dank
    Bernd Begemann ist ein Hamburger Sänger, Gitarrist und Entertainer. Er hat mir freundlicherweise erlaubt, seine Songtexte zu zitieren. Danke, Bernd! Bernd Begemann erscheint im Wintrup Musikverlag/Detmold, www.ghc.de

    Mehr über Bernd Begemann unter www.bernd-begemann.de

    Wie immer gilt mein Dank dem besten Lektor der Welt, Timothy Sonderhüsken. Und bestimmt nicht zum letzten Mal der wunderbaren Lektorin Gisela Klemt.

Über Silke Schütze
    Silke Schütze, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg. Nach ihrem Studium der Philologie war sie Pressechefin bei einem Filmverleih und
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