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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe
Autoren: Silke Schuetze
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verständnisvoll. »Da hast du dir ja was vorgenommen! Aber ich finde es schön, dass du nicht zu Andreas ziehst und mich allein lässt. Wo ich mich doch gerade zur besten Patentante der Welt entwickele!« Sie legt Fohringers Karte auf den Poststapel und tippt mit dem Finger auf einen neutralen Briefumschlag. »Der hier sieht seltsam aus. Was will denn jetzt eine Hausverwaltung von dir? Sonst kamen doch nur blöde Briefe von Pröllke selbst.«
    Ich bekomme einen Schrecken. »Der fiese Pröllke! Dr.Pröllke! Was der sich wohl wieder ausgedacht hat.«
    »Wahrscheinlich hat er mitbekommen, dass Andreas hier gewohnt hat«, vermutet Tina. »Pröllke glaubt bestimmt, dass du einen Puff aufgemacht hast.«
    Ich wische mir die Hände ab, wiege den Umschlag in der Hand.
    »Mach ihn doch im neuen Jahr auf«, schlägt Tina vor. Aber ich beschließe, dass ich mich nicht mehr von Pröllke verunsichern lasse. »Vielleicht muss sich der Kerl einfach mal wieder verlieben«, sage ich und schlitze den Umschlag mit dem Kartoffelschälmesser auf. Ich überfliege das Papier und lasse es dann wie im Schock sinken.
    »Und?« Tina sieht mich erschrocken an. Ich muss das Schreiben noch einmal lesen, weil ich es nach der ersten Lektüre nicht glauben kann. Dann halte ich es ihr hin. In sachlichem Ton teilt mir ein Herr Fanucci von der Hausverwaltung Dödeking mit, dass die Wohnhäuser des Herrn Pröllke in der Wiesenstraße den Besitzer gewechselt haben und er, Fanucci, im Auftrag der neuen Besitzer die Verwaltung übernommen habe. »Scheint Kohle gebraucht zu haben, der olle Pröllke!«, sage ich. »Wenigstens sind wir den los.«
    Aber Tina wäre nicht Tina, wenn sie nicht sofort ein Haar in der Suppe finden würde. »Hoffentlich heißt das für dich nicht Mieterhöhung und neuen Ärger«, orakelt sie düster.
    Aber für diesen Pessimismus ist es mir zu früh. »Warte doch mal ab. Bestimmt ist dieser …« – ich suche nach dem Namen in dem Brief – »… dieser Fanucci ein netter Mensch. Sein Name klingt doch sehr freundlich.«
    Tinas Miene hellt sich auf. »Du hast recht. Fanucci … vielleicht ist der Mann ja noch zu haben. Stell dir mal vor, ein Italiener. Das wäre doch mal was anderes!«

    Später als Tina und ich das Büfett vorbereiten, beschäftigen sich die Kinder mit den Steckspielen, die Andreas ihnen geschenkt hat. Lisa-Marie erweist sich dabei als die Geduldigere. Mit großem Ernst steckt sie Dreiecke in dreieckige Löcher, sucht nach dem Kreis und zeigt stolz das fertige Spiel. Ich betrachte sie nachdenklich. Als sie das Spiel an Heiligabend auspackte, freute sie sich erst. Dann weinte sie, weil es ihr nicht im ersten Anlauf gelang, die richtigen Formen in die entsprechenden Öffnungen zu stecken. Und sie strahlte, als es nach vielen Versuchen endlich klappte.
    In meiner Melancholie tröstet es mich, sie zu beobachten. So ist das Leben. Es ist Geschenk, Aufgabe, Herausforderung und klappt nicht immer. Beim ersten Anlauf schon gar nicht. Ob ich die Kraft habe, es weiter zu versuchen?
    Den ganzen Tag warte ich auf einen Anruf von Andreas. Als ich bis zum Abend nichts von ihm höre, versuche ich ihn zu erreichen, erwische aber nur seine Mailbox. »Er schläft jetzt bestimmt. Nach dem Nachtdienst«, beruhigt mich Tina. Ich nicke und erwidere ihr Lächeln. Aber nur mit den Lippen, meine Augen bleiben ernst. Und ich spüre meine Sehnsucht wieder wie eine Spirale in mir. Werde ich sie erneut zusammendrücken müssen? Werde ich von neuem den Atem anhalten müssen? War unser Weihnachten nur ein schönes Zwischenspiel ohne Folgen?
    Als ich mich im Badezimmer für die Party fertig mache, mustere ich forschend mein Spiegelbild. Trotz des leicht verunglückten Ausgangs haben mir die Tage mit Andreas gutgetan, ich sehe ausgeruht aus und ich gefalle mir. Und dann lächele ich mir plötzlich zu. »Jetzt wird gefeiert!« Schließlich will ich im Rätselbild meines Lebens nicht der Fehler sein, der entdeckt werden muss.

22. Kapitel
Ich hab mir etwas Zeit genommen
Aber jetzt bin ich angekommen
Du hast gewartet auf mich
Dafür liebe ich dich.
Bernd Begemann: »Ich bin dann soweit«
    K urz vor Mitternacht ist die Party voll im Gange. Vor dem Fernseher, den ich in den Korridor gestellt habe, wird zur »Definitiv Ultimativen Chartshow« getanzt. In der Küche zelebrieren die Unvermeidlichen seit Stunden mit großer Routine und ebenso großem Erfolg bei Jung und Alt ihre Bleigieß-Rituale. Mein Versuch sah aus wie ein zu kurz geratener
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