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Kleine Schiffe

Kleine Schiffe

Titel: Kleine Schiffe
Autoren: Silke Schuetze
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vorbereitet. Ich dachte, du trinkst Kaffee, bastelst vielleicht irgendetwas und freust dich über eine Abwechslung. Mannomann, da hatte ich mich aber getäuscht!« Er lächelt bei der Erinnerung an jenen Morgen. »Die Küche war voll, alle möglichen Leute, die Kinder … und du mittendrin. Deine Haare waren zerstrubbelt, und rings um dich war eine Art glückliches Leuchten. Es hat mir fast das Herz gebrochen. Denn ich hatte plötzlich das Gefühl, dass das wahre Leben hier stattfindet. Und dass ich damit leider gar nichts zu tun hatte. Mit diesem Leben nicht – und vor allem mit dir nicht.«
    »Ohne dich würde es Amélie nicht geben.«
    »Das stimmt nicht ganz – ohne deine Verführungskünste!«
    »Amélie war eben schon immer unser gemeinsames Projekt. Unsere Hoffnung.«
    Einen Moment lang ist es still.
    Andreas küsst meine Hand. »Lach mich jetzt bitte nicht aus, aber vorhin habe ich gedacht, dass Amélie vielleicht so etwas wie eine Botschafterin ist. Sie soll uns an unsere Liebe erinnern.«
    Mein Herz hüpft.
    »Liebe?«
    »Ja. Liebe.« Er drückt mich eng an sich. »Franziska, ich liebe dich. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.«
    Ihm kommt das Wort »Liebe« so leicht über die Lippen. Simon und ich sind um dieses Wort herumgeschlichen. Natürlich gab es Momente, in denen ich für Simon Liebe empfand, aber es laut auszusprechen, wagte ich nicht. Und er? Vielleicht fürchtete auch er die Verbindlichkeit, die von dem Wort ausgeht, wenn es außerhalb dieses magischen Raumes von zärtlicher Zweisamkeit in den Alltag gezerrt wird. Wer dem anderen seine Liebe gesteht, geht damit Verpflichtungen ein: »Du liebst mich doch, warum also tust du dieses oder jenes nicht?« Simon und ich sprachen zwar von »meiner Freundin« oder »meinem Freund«, doch wie auf geheime Verabredung hin verwendeten wir das Wort »Liebe« nicht. Aber Andreas war schon immer so. Hinter seiner effizienten Chefarzt-Pose schlummert ein großer Romantiker. Seine Geschichte von dem roten Band, die hat er mir in unserer allerersten Nacht erzählt – und er hat sich nicht geschämt, mir am nächsten Morgen ein rotes Band zu bringen. Wie konnte ich das vergessen? Mit Andreas ist es Liebe. Und doch ist zu viel geschehen, als dass wir übergangslos wieder an unser altes Leben anknüpfen könnten. Ich fühle mich, als ob ich bei einem Winterspaziergang das Eis des zugefrorenen Sees auf seine Festigkeit prüfe. Ich zögere. Aber dann ist das Vertrauen stärker. Ich küsse ihn und mache den ersten Schritt auf das Eis. Ich flüstere: »Ich liebe dich auch.«
    Wir halten einander fest, schlafen müde und glücklich ein. Wachen müde und glücklich auf. Wir holen die Kinder zu uns ins Bett, als auch sie wach werden. Wir sind die glücklichsten Menschen der Welt.

    Wir sprechen am nächsten Tag nicht darüber, wie es weitergeht. Ich liebe Andreas. Aber ich will keine ausgetretenen Pfade mehr gehen. Wir leben weiter von Minute zu Minute. Auch als Papa und die Unvermeidlichen wieder bei uns eintrudeln. Papa grinst nur, als er mitbekommt, dass Andreas nicht im Gästezimmer schläft, und zwinkert mir gut gelaunt zu. »Dein altes Problem mit der Reihenfolge!«
    Tina ist geschlagene fünf Sekunden sprachlos, als ich ihr am Telefon von Andreas erzähle. Dann kreischt sie umso lauter. »Findest du das jetzt gut oder schlecht?«, unterbreche ich sie schließlich.
    »Na, super natürlich! Ich mag doch Andreas!«
    »Seit wann das denn? Du hast doch immer über ihn hergezogen.«
    Tina ist empört. »Na, hör mal, das musste ich doch. Schließlich hatte der Kerl meine beste Freundin verlassen! Ich bin doch loyal!«
    So hatte ich das noch nie gesehen. Ich bin gerührt. Tina treiben aber ganz andere Gedanken um. »Bleibt er zur Party?«
    Die Silvester-Party! Die hatte ich über meinem Liebesglück vergessen.
    »Keine Ahnung. Ich glaube eher nicht. Er muss wieder arbeiten.«
    Tina kann es nicht fassen. »Du hast ihn noch nicht gefragt? Na, einen mehr kriegen wir auch noch satt.«
    »Denk dran, dass alle etwas mitbringen. Wahrscheinlich ist wie immer zu viel da. Um die Getränke kümmern sich übrigens mein Vater und seine Freunde.«
    Einen Tag vor seiner Abreise erzähle ich Andreas von der Party.
    Andreas ist überrascht. »Du? Eine Party?«
    »Ja, ich!«
    Wieso sieht er plötzlich so ablehnend aus? Ist er traurig, weil er nicht mitfeiern kann? Mir fällt siedend heiß ein, dass ich ihn gar nicht eingeladen habe. Als Tina und ich die Party planten, waren Andreas
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