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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Autoren: Walter Fritz Müller
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noch vor wenigen Tagen geschwärmt. Aber wie lange wird er noch von deinen Kurven schwärmen? Bist du in zehn Jahren für ihn noch ansehnlich? Schmuck kann man verkaufen. Hast du dich nicht an ihn verkauft? Zu welchem Preis? Und wie ist das denn bei dir mit dem Preis und dem Wert? Kostest du nichts mehr, bist du auch nichts mehr wert. Aber übertreibe es nicht: Seine erste Frau ist ihm zu teuer geworden. Sagt er.«
    Aus dem Radio sprang Richard Claydermans typischer Anschlag. Dazu beschwor Claudia Jung ihren Geliebten: >Alles, was ich jetzt brauche, bist immer nur du.<
    Julia liebte Claudia Jung. Manchmal war ihr eben danach. Aber einen Geliebten brauchte Julia jetzt am allerwenigsten. Einen anderen Menschen auch nicht. Vielleicht York Yorck, aber der war weit weg.
    Julia stellte einen anderen Sender ein und hörte das berühmte >Marleen, eine von uns beiden muss nun gehen.<
    »Ja!«, rief Julia ihrem Spiegelbild zu und schaltete das Radio nicht gerade sanft aus. Sie zeigte mit dem Finger auf den Spiegel: »Und zwar du gehst. Du, meine Liebe, wirst verschwinden. Die Regatta wartest Du noch ab und dann ist Schluss!«
    Sie setzte sich wieder vor den Monitor und schrieb weiter: »Ich erhoffe von Dir kein Geld, nein, das glaube bitte nicht. Ich werde einen Anwalt zu Dir schicken, der Dir mein Vermögen offen darlegen wird. Er wird Dir empfehlen, unser beider Habe zu addieren und dann jedem von uns die Hälfte zu geben. Ich werde nicht feilschen.«
    Julias Vermögen belief sich auf etwa das Zehnfache dessen, was Armin aufweisen konnte. Seine Guthaben waren in letzter Zeit nicht mehr angewachsen, sie hatten sogar abgenommen. Daran war Julia nicht ganz unschuldig. In einem einzigen Ehejahr hatte sie auf seinen Konten kräftig aufgeräumt. Es entsprach ihrem Großmut, ihm nun die Hälfte ihrer Barschaft, Aktien und Liegenschaften abzugeben. So war sie nun mal veranlagt.
    Aber sie fragte sich, ob das viele Geld ihn glücklich machen und über den Verlust seines >süßen Babys< hinwegtrösten könnte. Würde es nicht seine Selbstachtung zerstören, wenn er erfahren müsste, wie erfolgreich sein kleines Dummchen war? Ein 29jähriges Mädchen, das nichts Rechtes gelernt hatte, verdiente ganz im Verborgenen mehr als es jemals verbrauchen konnte und verwies einen Anwalt auf der Höhe seines Ruhmes mitsamt seiner Mannschaft ins Abseits. Musste ihn, den stolzen Mann von Welt, der sich an den Schalthebeln der Macht wähnte, das nicht bis an sein Lebensende beschämen? Falten würden sein Gesicht zeichnen, Julia sah ihn gebeugt und verhärmt in Filzpantoffeln über das Parkett seines Salons schlurfen und sich das Gehirn zermartern, was er denn falsch gemacht haben könnte. Unfähig, die Lösung zu erkennen, würde der Alkohol ihn schließlich zerstören. Julia war gerührt von ihrer Vision und vergoss bittere Tränen.
    »Lebe wohl, mein Armin«, schrieb sie weiter, »es war traumhaft mit dir, aber in Europa ist mir der Boden zu heiß geworden, man ist mir auf die Spur gekommen, ich muss flüchten, sofort, für einen Abschied bleibt keine einzige Minute mehr, nur diesen Brief kann ich dir noch rasch schreiben, als letztes Zeichen meines Lebens.«
    Sie fürchtete, er könnte das als Abschied einer Selbstmörderin auffassen. Sie wollte den Satz streichen, aber dann dachte sie, besser ein heftiger kurzer Schmerz als ein ewiges seichtes Dahinquälen. Sie hatte das oder etwas Ähnliches in der >Psychologie heute< gelesen, kann aber auch bei >Bild< gewesen sein, jedenfalls nicht in der Vogue.
    »Forsche nicht nach mir, Du wirst mich nicht finden.
    In großer Trauer,
    ewig,
    Deine Julia«.
    Sie verschlüsselte die Datei und speicherte sie ab. Gleich morgen wollte sie Korrektur lesen, sie danach per Internet an York Yorck senden und ihn bitten, sie vorerst noch nicht an Armin zu schicken. Ein Schreiben ähnlichen Inhalts wollte sie dann auch gleich für Rex aufsetzen.
    Morgen wollte sie das Schreiben auch auf Begriffe hin durchsuchen, die nicht mehr zu steigern waren. Die mussten raus. York würde das ja lesen, und sie wollte die nächsten Jahre mit ihm verbringen. Darum musste York die Möglichkeit der letzten Steigerung bleiben.
    Julia ging in den Salon hinunter und schritt langsam über das Parkett. Sie sah die glänzenden Tische an, die edlen Hölzer, die Gemälde an den Wänden. Auf einem polierten Rokokotischchen, nebenan, das gar nicht so recht in den Stil des Hauses passen wollte, sah sie die Statuette von Clodion. Das anmutig mit dem
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