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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Autoren: Walter Fritz Müller
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gewiss nicht ausgedrückt. Sie konnte sich eher sein Knurren vorstellen, aber sie war doch angetan von den wohlgeformten Sätzen des Butlers.
    »Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte, sie schaffen den Kommissar zwar nicht wieder herbei, aber so ist seine Abwesenheit für mich doch wenigstens erträglich.«
    Während sie sich wieder unter die Gäste mischte, dachte sie, vielleicht haben die Engländer doch recht, wenn sie sagen, nicht der Mensch formt die Sprache, sondern die Sprache formt den Menschen. Kleider machen Leute, und Sprachen bilden Charaktere.
    Julia sah sich nach ihrem Ehemann um. Sie fand ihn schließlich in ein offenbar ernstes Gespräch mit Herrn Friedanger vertieft. Da wollte sie nicht stören. Sie blieb stehen und beobachtete die beiden unauffällig aus einiger Entfernung. Ihr Mann redete mit den Händen. Das tat er sonst nie. Er war gewöhnlich der Überlegene, sprach leise, etwas gelangweilt, als dürfe die einzige Wahrheit über den jeweiligen Gegenstand der Debatte nur gelassen ausgesprochen werden. Und selbstverständlich hielt er dabei seine Hände still. >Wer mit den Händen redet<, sagte er immer, >traut seinen Worten nicht.<
    Friedanger wiegte den Kopf hin und her, presste die Lippen zusammen und zog die Stirn kraus. Doch als Getti ihm die Hand mit der Handfläche nach oben hinhielt, zögerte Friedanger nicht länger und schlug ein.
    Julia schlenderte weiter durch den Saal, nickte mal nach links, mal nach rechts, blieb auch hier , und da kurz stehen, und plauderte mit den Gästen. Jeder sah sie strahlend lächeln, aber nur sie kannte den Grund. Der Handschlag zwischen ihrem Mann und Herrn Friedanger war eindeutig: Sie hatte soeben ein Schiff geschenkt bekommen.
    Friedanger nahm sich eine Schale Champagner von einem Tablett und trat an ein Fenster. Freudig erregt sah er in die Finsternis hinaus. Julia stellte sich neben ihn und sprach ihn an: »Würden Sie mir bitte auch etwas Champagner holen?«
    Er drehte sich rasch zu ihr herum, erschrocken, beinahe hätte er das Glas umgeworfen, das er auf dem Fensterbrett abge-stellt, hatte.
    »Oh, Frau Getti, selbstverständlich werde ich gleich ... Ich bin, habe eben ...«
    Er verhaspelte sich, hob seine Arme und ließ sie schlaff fallen, schüttelte den Kopf über sich selbst, drehte sich auf dem Absatz um und war augenblicklich verschwunden. Julia blickte ihm belustigt nach.
    Als er ihr das prickelnde Getränk reichte, dankte sie ihm mit einem bezaubernden Lächeln. Sie führte das Glas an die Lippen und nahm einen winzigen Schluck.
    »Nun ja«, sagte er, »Ihr Mann hat soeben eine Jacht geordert. Das ist sehr erfreulich für mich, aber meine Firma ist damit nicht zu retten. Leider, ich bin am Ende. Als mein Vater noch lebte, stand die Firma gut da, sehr gut sogar, aber seit diesem unglücklichen Prozess schreiben wir nur noch rote Zahlen.«
    »Ich weiß, Herr Friedanger. Ich schlage Ihnen vor, wir treffen uns morgen bei Ihnen in der Werft, oder?«
    Er nickte mehrmals und fragte dann, ob ihr nachmittags um drei Uhr recht sei.
    »Gut, dann also um drei bei Ihnen. Und wo genau?«
    »Meine Sekretärin wird Sie abholen. Ich denke, wir werden uns in Ruhe über alles unterhalten können.«
    »Schön, Herr Friedanger. Falls jemand neugierig sein sollte: Wir haben über die Jacht gesprochen. Von unserem Treffen morgen muss nicht unbedingt jeder hier erfahren. Und meinen Mann wird es ganz bestimmt nicht interessieren.«
    Die letzten Gäste hatten sich verabschiedet, die Mietkellner räumten Gläser, Geschirr und halb leere Champagnerflaschen ab und verstauten alles rasch in ihre Transporter. Der englische Butler schritt steif und würdevoll durch die Räume und verhinderte allein durch seine Anwesenheit das Verschwinden allzu vieler der kristallenen Sektschalen und vollen Flaschen. So blieb er bis zuletzt sein Geld wert, aber das hätte der Hausherr niemals nachgerechnet.
    Rex Palmer stürmte mit wehender Mähne und offenem Jackett die Freitreppe hinauf, lief auf seinen Freund Armin Getti zu und entschuldigte sich keuchend und kopfschüttelnd, weil er ohne jede Erklärung einfach so gegangen war.
    »Mein lieber Rex«, sagte Armin, legte seine rechte Hand auf dessen Schulter und dirigierte ihn zu dem drei Meter langen Sofa von Christian Liage, über dem das Gemälde von Ana Guan hing.
    »Der ganze Trubel ist vorbei, jetzt haben wir endlich Zeit, in Ruhe zu plauschen; du hattest ja in den letzten Monaten kaum Zeit für Besuche. Ist es nicht viel
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