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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Autoren: Walter Fritz Müller
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angenehmer, wenn alle wieder gegangen sind und wir uns allein und gemütlich unterhalten können?«
    Rex stimmte ihm zu und nickte. Armin fand auch bei harmlosen Ärgernissen rasch einen Weg, den Missmut in Vergnügen umzuwandeln. An solchen Kleinigkeiten trainierte er seine Fähigkeit, scheinbar aussichtslose Klienten in glänzendem Licht darzustellen. Dabei rechnete er eiskalt und realistisch. Tatsächlich aussichtslose Fälle gab er nach genauer Prüfung ohne jedes Mitgefühl zurück.
    Rex ließ sich in das Sofa sinken und griff nach dem Kognakschwenker, den Armin ihm reichte. Sie prosteten sich wortlos zu. Er legte den Kopf zurück, schloss die Augen und verscheuchte jeden Gedanken an den Fall, der ihm gerade eben aufgebrummt worden war.
    »Wo ist denn Julia?«, wollte er plötzlich wissen und richtete sich auf, aber Armin hörte ihn nicht. Er war in den Keller hinabgestiegen, um einen guten Tropfen zu holen. Rex erhob sich und wanderte in dem Saal umher, in dem sich vor Kurzem noch die Gratulanten gedrängt hatten. Rex schlenderte zurück und setzte sich wieder. In einer Zeitschrift, die aufgeschlagen auf einer Ecke des Couchtisches lag und drohte, beim nächsten Lufthauch herunterzurutschen, warb Daniel Swarovski für edle Sonnenbrillen. Rex nahm die Zeitschrift in die Hand und sah sich das Titelbild an: Es war die Vogue.
    Rex hörte rasche, huschende Schritte auf der Treppe, doch bevor er sich umdrehen konnte, sprang Julia auf das Sofa, umarmte ihn und küsste ihn auf die Wange.
    »Ich freue mich, dich wieder zu sehen!«, rief sie, zog die Beine an, hockte sich neben ihn und lächelte zufrieden. Sie hatte die komplizierte Frisur, dieses Kunstwerk, das der New Yorker Coiffeur kreiert hatte, restlos zerstört. Nichts war davon übrig geblieben. Aber die Schüttelfrisur gefiel ihm. Julia sah viel natürlicher aus. Arme und Schultern waren bloß, nur schmale Bänder hinderten das Hemd oder Top oder wie das Stückchen Stoff heißen mochte, herunterzurutschen. Ein Jeansrock, der gerade noch als Rock gelten konnte, so kurz,, wie er war, vervollständigte ihre Kleidung. Julia trug weder Strümpfe noch Schuhe und außer ihrem Ehering keinerlei Schmuck. Aber auch alles, was sie jetzt trug, war neueste Mode. Ihm kam es zwar vor wie für Teenager gemacht, die es von ihrem knapp bemessenen Taschengeld bezahlen mussten, aber irgendwelche geheimen Zeichen würden den Eingeweihten die Preise verraten. Da war Rex sich ganz sicher.
    Armin stieg die Kellertreppe herauf. Er trug in jeder Hand eine Flasche Wein, eine dritte hatte er unter den linken Arm geklemmt. Er wollte drei Sorten zur Auswahl anbieten. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, wie seine Ehefrau sich auf dem Sofa lümmelte, aber er beherrschte sich. Er stellte die Flaschen auf den Tisch und verschwand im Nebenzimmer. Gläserklirren drang herüber. Er kam wieder herein und zeigte Rex das Etikett des Rieslings. Als Rex nickte, begann er, die Flasche zu öffnen. Seine Frau hatte er nicht gefragt, ob die Marke ihr zusage. Schließlich kannte er ihren Geschmack, aber die Etikette hätte verlangt, ihre Meinung ebenfalls einzuholen. Jedenfalls empfanden Julia und Rex das so. Die beiden wechselten einen kurzen Blick miteinander, und so überraschte es sie kein bisschen, als Armin, der sich scheinbar ganz versunken mit dem Korken beschäftigte, ohne aufzublicken sagte: »Ein Fremder müsste diese Situation zweifelsfrei missdeuten, liebste Julia.«
    Julia sah Rex kurz an und hätte ihrem Mann am liebsten schnippisch geantwortet, da hätten sie beide zweifelsfrei Glück, weil kein Fremder ihnen zusah. Rex sah ihren Widerspruchsgeist aufblitzen und runzelte die Stirn. Er befürchtete einen Krach. Ausgerechnet an Armins Fünfzigsten. Aber Julia bremste sich noch rechtzeitig, schließlich hatte sie gerade ein Luxusschiff geschenkt bekommen. Es wäre äußerst unfair gewesen, ihm auf seine doch recht harmlose Bemerkung so schroff zu antworten. Armin nickte beiden zu und nahm einen vollen Zug. Er nahm eine CD aus dem Rack und schaltete die Stereoanlage ein. Mit der Fernbedienung regelte er die Lautstärke etwas herunter, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er liebte Chopin.
    Die letzten beiden Wochen war Armin kaum zu Hause gewesen. Sein Leben hatte sich nur zwischen Kanzlei und Gericht abgespielt. Das bisschen Freizeit dazwischen hatte er zur Vorbereitung der Geburtstagsfeier gebraucht. Zwar war alles einem Manager übertragen worden, aber das, was wirklich wichtig und
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