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Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren

Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren

Titel: Kleine Philosophie der Passionen - Radfahren
Autoren: Michael Klonovsky
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liegt zunächst einmal daran, dass Radfahren Bewegung und Fortbewegung in einem ist. Nach der Squash-Partie, um bei jenem Exempel zu bleiben, steht man immer noch an derselben Stelle wie zu Beginn, nämlich in einem jener uncharmanten Fitnesszentren, wo in jeder Wabe alle dasselbe treiben. Ferner umfasst Radfahren die gesamte Bandbreite vom entspannten Ausflug bis zum Wettrennen. Radfahren ist a priori unsteif, und man lernt dabei erstaunlich schnell erstaunlich viele Eigenschaften einer Frau kennen. Mit welcher Art Rad taucht sie auf? Was für eine Figur macht sie darauf? Welche Strecke ist sie bereit, in Angriff zu nehmen? Was zieht sie sich dafür an? Fährt sie vorsichtig oder forsch? Hält sie sich an die Verkehrsregeln? Wie steht sie zu ihrem Körper, wie bewegt sie sich? Ist sie bereit zu schwitzen, oder ist ihr das unangenehm?
    Was eine Frau erotisch hermacht, wird sie beim Radfahren geflissentlich andeuten. Ist sie ein bisschen etepetete oder burschikos, ist sie schläfrig und der Pausen bedürftig oder zäh und konditionsstark? Zieht sie richtig mit? Gehört sie zu jenen Musterschülerinnen, in denen der Ehrgeiz brennt, es unbedingt zu schaffen? Reagiert sie biestig und wird richtiggehend sauer, wenn es bergauf nicht so läuft, wie sie es sich vorstellt? Beim Tanzen erkennt man wohl noch mehr, aber auf dem Rad offenbart sich schon viel vom Temperament. Und wenn es sommerlich warm ist, hat das Auge auch genugzu schauen. Es gibt da zum Beispiel jenen magischen Moment, wo sich die ersten Schweißtröpfchen im Bachbett der weiblichen Lendenwirbelsäule bilden, vom Flaum feinster Härchen daran gehindert, sich zum Rinnsal zu vereinen – gewiss einer der Gründe, mit der Schöpfung halbwegs zufrieden zu sein. Im Übrigen eignet sich das Rad auch gut für die negative Auslese.
    Einen Berg mit einer Frau zu fahren, das ist ungefähr wie – na, Sie wissen ja schon. Überdies kann man renommieren und die Teure ein Stück hinaufschieben.
    Ein gemeinsamer Radausflug, egal von welcher energetischen Relevanz, hat per se etwas Unverkrampft-Unförmliches, Luftiges, Aufschließendes. Man fährt hinaus aus dem üblichen Kontext und seinen Konventionen, ins Grüne oder auch, je nach Fitnesszustand der Gevatterin, ins Blaue. Außerdem gilt natürlich in diesem Fall, was ich über die Verbindung des Lukullischen mit dem Sportlichen schrieb, hier noch erweitert ums potenziell Erotische. Eine Sinnlichkeits-Triade. Sich zuerst zusammen auf dem Rad schaffen und sodann bei Tische die Leinen losmachen und auch die letzten den Leib betreffenden Hemmungen über Bord werfen – kann man besser in eine Nacht einsteigen?

    P. S. Eine Kollegin, der ich soeben dieses Kapitel vorgelesen habe – obwohl ich ihr eigentlich ein anderes vortragen wollte, aber sie hat auf diesem bestanden –, eine Kollegin also stellt nun die Frage, wo der Herr sich bei der gemeinsamen Ausfahrt aufhält: vor seiner Begleiterin? Hinter ihr? Neben ihr?
    Wie ein Hütehund umkreise er sie, habe ich geantwortet.

Die Frau in Rot
oder:
Eine Begegnung in den Pyrenäen
    Ein paar Kilometer vor dem Col du Peyresourde tauchte dieser rote Punkt vor mir auf. Ein Radfahrer, stellte ich beim Näherkommen und naturgemäß wenig überrascht fest. Er schien ziemlich schnell unterwegs zu sein, denn besagtes Näherkommen zog sich hin. Ein Rennradfahrer also. Eine ganze Weile irrlichterte er auf der menschenleeren Straße vor mir her. Während ich überlegte, ob ich ihn überholen würde können, ohne mich dem möglichen Stress einer Verfolgungsfahrt auszusetzen – ich hatte bereits zwei Pässe in den Beinen –, schälte sich das Bild des einsamen Radfahrers immer deutlicher aus der Landschaft.
    Es war eine Frau.
    Für eine solche war sie sogar bemerkenswert schnell unterwegs, und prompt ergriff mich eine wilde Neugier, in die sich eine einstweilen amorphe Sympathie mischte. Dabei sind – apropos amorph – rennradfahrende Frauen eher nicht so mein Fall, ich meine: ab einem gewissen von ihnen angeschlagenen Durchschnittstempo. Meist haben sie so freudlos fettfreie Oberkörper – und was ist ein weiblicher Oberkörper ohne die passend positionierten pikanten Pölsterchen, parbleu! – sowie ziemlich dicke Oberschenkel, nicht so schlimme wie Hundert-Meter-Läuferinnen, bei denen es aussieht, als hätten sie statt Beinen jeweils einen halben Delphin eingeschraubt, aber es geht in diese Richtung. Kurzum, ich erwartete eine ästhetische Enttäuschung. Dennoch trat ichkräftig in
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