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Alter Hass rostet nicht

Alter Hass rostet nicht

Titel: Alter Hass rostet nicht
Autoren: Jerry Cotton
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Eigentlich hätte er Grund gehabt sich zu ärgern. Als er die Kanzlei um kurz nach acht betreten hatte, lag ein Zettel auf seinem Schreibtisch: 11 Uhr Starbucks Church Ecke Murray. Ich habe das entscheidende Puzzleteil, das Ihnen noch fehlt . Er hatte sich bei Susan erkundigt, der blonden und in jeder Hinsicht bemerkenswerten Sekretärin, die ihm den Zettel auf den Tisch gelegt hatte. Aber auch sie konnte ihm nichts Näheres sagen.
    »Es war ein Mann, der Stimme nach so um die vierzig. Einen Namen hat er nicht genannt.«
    »Aber meinen Namen kannte er?«
    »Ja. Er sagte: Ich habe eine Nachricht für Mister Banks. Nachdem er mir Treffpunkt und Uhrzeit durchgegeben hatte, legte er einfach auf.«
    So was kam vor. Besonders wenn er gerade an einem spektakulären Fall arbeitete, der in der Presse breitgetreten wurde, gab es immer Leute, die sich wichtigmachen und ihren Namen in der Zeitung lesen wollten. In den meisten Fällen waren die Informationen, die sie lieferten, allerdings völlig unbrauchbar.
    Aber Colin Banks war ein gewissenhafter Anwalt und hielt es für seine Pflicht, jeder Spur nachzugehen, sei sie auch noch so zweifelhaft. Das war zwar zeitaufwendig und oft frustrierend. Aber man konnte nie wissen, ob sich zwischen all dem Geschwätz und gehässigen Getratsche nicht doch einmal ein wertvoller Hinweis verbarg, der einem hoffnungslosen Fall eine unerwartete Wende gab und letztendlich zu seiner Lösung beitrug.
    Diesmal lag die Sache allerdings anders. Colin Banks kramte ein Pfefferminzbonbon aus der Jackentasche und schob es sich in den Mund. Das tat er immer, wenn er konzentriert nachdachte, er bildete sich ein, der scharfe Geschmack würde seinen Hirnwindungen einen zusätzlichen Kick verschaffen.
    Er hatte nämlich keinen spektakulären Fall auf dem Tisch. Zwei Scheidungssachen, eine Körperverletzung, ein Ladendiebstahl. Peanuts. Auch der von den Medien künstlich aufgebauschte Häuserkrieg in Harlem lockte normalerweise keinen Hund hinterm Ofen hervor. Kein Grund, sich mit Colin Banks zu einem konspirativen Treffen zu verabreden. Es sei denn …
    Es sei denn, es handelte sich um den Fall, der nicht auf seinem Schreibtisch lag, sondern auf einem USB-Stick gespeichert in einem Schließfach der Grand Central Station lag. Niemand in der Kanzlei wusste davon. Nicht einmal seiner Frau Emmylou hatte er davon erzählt. Dieser Fall war so top secret, dass er manchmal nachts aus einem Alptraum hochfuhr, voller Panik, jemand hätte auf irgendeine Weise doch Wind davon bekommen.
    Colin Banks bog in die Warren Street ein, in der die altehrwürdige Kanzlei Farnsworth, Smith & Cogan lag. Sanft beschien die warme Märzsonne die gepflegten Brownstone-Häuser mit ihren Zick-Zack-Feuerleitern und tauchte sie in goldenes Licht. Er liebte diese Häuser und das gediegene Flair, das sie verbreiteten. Aber heute hatte er keinen Blick dafür.
    Ein einziger Gedanke war es, der ihn beschäftigte: Wer war der anonyme Anrufer, der ihn ins Starbucks bestellt hatte und dann doch nicht erschienen war? Fast 20 Minuten hatte er gewartet, dann musste er zu einem Kliententermin zurück in die Kanzlei.
    Wusste er etwas über den Fall, an dem er seit Monaten hartnäckig recherchierte, heimlich und fast ausschließlich in seiner Freizeit? Und wenn ja, was?
    Tatsächlich stand er kurz vor dem Abschluss, ein einziger Name fehlte ihm noch, um das Puzzle zu vervollständigen. Wollte der Unbekannte ihm diesen verraten? War er am Ende selbst dieser Mister X, dem er so dicht auf den Fersen war? Und warum zum Teufel war er nicht gekommen?
    Vielleicht würde er sich ja noch einmal melden. Hoffentlich war er dann selbst am Apparat und konnte ihm sein Geheimnis entlocken. Denn eins war Colin Banks klar, und von diesem Gedanken wurde er seit Monaten geradezu beherrscht: Dieser Fall würde in NYC einschlagen wie eine Bombe. Und ihn selbst würde er endgültig zum Gesellschafter der Sozietät machen, die dann Farnsworth, Smith, Cogan & Banks heißen würde.
    Allein dieser Gedanke ließ sein Herz augenblicklich schneller schlagen.
    Vielleicht schenkte er deswegen dem kräftigen, untersetzten Schwarzen mit der tief in die Stirn gezogenen Baseballkappe keine Aufmerksamkeit, der in diesem Moment seinen Weg kreuzte. Im Vorübergehen schnellte kurz seine Rechte hoch und traf Colin Banks mit einem gezielten Schlag seitlich am Hals, der wie vom Blitz gefällt auf dem Bürgersteig zusammenbrach.
    ***
    Ich lenkte den Jaguar durch den mittäglichen Verkehr
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