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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff
Autoren: Irvine Welsh
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ein stiller, in sich gekehrter Mann. Seine zurückhaltende Art wurde oft als Schroffheit missverstanden, ein Eindruck, der durch seine Körpergröße noch verstärkt wurde (er war über einsachtzig groß), die Duncan, genau wie das strohblonde Haar, von ihm geerbt hatte. Sein Vater hörte sich sein Geständnis schweigend an und nickte nur gelegentlich aufmunternd. Als er dann sprach, tat er es im Tonfall eines Mannes, der sich schmählich verkannt fühlt. – Ich hasse keine Katholiken, Junge, sagte sein Vater mit Nachdruck. – Ich hab nichts gegen egal welche Religion. Aber diese Schweine im Vatikan, die die Leute unterdrücken, in Unwissenheit halten, damit die sich weiter die Taschen füllen können, das ist das Pack, das ich hasse!
    In dieser Hinsicht beruhigt, beschloss Duncan, Marias Vater sein Freimaurertum zu verschweigen, da dieser Freimaurer genauso zu verabscheuen schien wie Priester. Sie heirateten standesamtlich in den Edinburgher Victoria Buildings und feierten im Oberstock eines Pubs in Cowgate. Duncan hatte Angst, Matt Muir könnte eine rot angehauchte oder gar tiefrote Rede halten, und bat darum Ronnie Lambie, seinen besten Freund aus der Schule zu Hause in Ayrshire, die Festrede zu halten. Unglücklicherweise hatte Ronnie gut getankt und ließ eine Hetzrede gegen Edinburgh vom Stapel, die einigen Gästen unangenehm aufstieß und später, als es feuchtfröhlich wurde, eine Schlägerei nach sich zog. Duncan und Maria nahmen das zum Anlass, in das Zimmer zu verschwinden, das sie in einer Pension in Portobello gemietet hatten.
    Wieder in der Fabrik und an seiner Maschine angekommen, sang Duncan The Wonder of You , der Song lief als Endlosschleife in seinem Kopf, während das Metall unter der Schneide der Drehbank nachgab. Dann verdunkelte ein Schatten das Licht, das aus den riesigen Fenstern auf ihn herabfiel. Jemand stand neben ihm. Er schaltete die Maschine ab und blickte auf.
    Duncan kannte den Mann nur flüchtig. Er hatte ihn schon in der Kantine und im Bus gesehen; er war offenbar Nichtraucher, da er immer unten saß. Duncan vermutete, dass sie in derselben Siedlung wohnten, denn der Mann stieg eine Station vor ihm aus. Der Typ war ungefähr einsfünfundsiebzig, hatte kurze braune Haare und einen lebhaften Blick. Woran Duncan sich erinnerte, war seine fröhliche, natürliche Ausstrahlung, die nicht zu seinem Äußeren passte; er war das, was man einen gut aussehenden Mann nannte, gut aussehend genug für ein wenig Narzissmus. Jetzt stand der Mann allerdings in höchster Aufregung vor ihm. Nervös und ungeduldig platzte er heraus: – Duncan Ewart? Betriebsrat?
    Beide waren sich des dämlichen Reims bewusst und lächelten sich an.
    – In der Tat, Ewaat, Betriebsrat. Und du bist …? ging Duncan auf den Witz ein. Er konnte die Nummer im Schlaf.
    Aber der Mann lachte jetzt nicht mehr. – Wullie Birrell, stammelte er atemlos. Meine Frau … Sandra … liegt in den Wehen … Abercrombie … will mich nich weg zum Krankenhaus lassen … sin zu viele krank … die Crofton-Lieferung … sacht, wenn ich jetzt Feierabend mach, brauch ich nich wiederkommen …
    Es brauchte nur Sekunden, bis die Entrüstung in Duncans Brust aufstieg wie ein Hustenreiz. Er knirschte eine Sekunde lang mit den Zähnen und sprach dann mit ruhiger Autorität. – Du haust jetzt sofort ab zum Krankenhaus, Wullie. Wenn hier einer nich mehr wiederkommt, dann Abercrombie. Verlass dich drauf, dem wird es noch Leid tun.
    – Soll ich ausstempeln oder nich? fragte Wullie Birrell, und ein nervöses Zittern im Auge ließ sein Gesicht zucken.
    – Mach dir deswegen keinen Kopf, Wullie, geh einfach. Nimm dir n Taxi, lass dir ne Quittung geben, ich boxe das dann bei der Gewerkschaft durch.
    Wullie Birrell nickte dankbar und sah zu, dass er wegkam. Er hatte die Fabrik schon verlassen, als Duncan sein Werkzeug hinlegte, ohne Eile zum Münztelefon in der Kantine ging und zuerst den Convenor, dann den Abteilungsleiter anrief, während er im Hintergrund das Klappern der Töpfe und Bestecke beim Spülen hören konnte. Dann ging er direkt zum Betriebsleiter, Mr. Catter, und legte eine formelle Beschwerde ein.
    Catter hörte sich Ewarts Anliegen schweigend, aber mit wachsender Bestürzung an. Die Crofton-Lieferung musste unter allen Umständen raus. Und Ewart – tja, der konnte jeden einzelnen Arbeiter in der Werkshalle dazu bringen, die Arbeit niederzulegen, um diesen Birrell zu unterstützen. Was um Himmels willen hatte dieser Clown Abercrombie
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