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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff
Autoren: Irvine Welsh
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gleichen Spitznamen anhängen würden, den er selbst in der Fabrik hatte – »Milky Bar Kid«. Während Maria den Jungen auf dem Boden absetzte, hoffte Duncan, dass keiner von ihnen je eine Brille brauchen würde. Als er spürte, wie Maria ihre Arme um seine Taille schlang, drehte Duncan sich um, und sie gaben sich eng umschlungen einen langen Kuss. Carl wusste nicht, was er tun sollte, fühlte sich ausgeschlossen und klammerte sich an ihre Beine.
    Es klingelte, und Maria ging an die Tür, während Duncan die Gelegenheit nutzte, mal wieder Elvis aufzulegen, diesmal In the Ghetto .
    Maria sah einen leicht erschrocken dreinblickenden Mann mit kantigem Unterkiefer auf der Schwelle. Er war ihr unbekannt und hielt sich an einer Whiskyflasche und einem Bild fest, das nach einer Kinderzeichnung aussah. Er war offenkundig etwas angeheitert und in aufgekratzter Stimmung, wenn auch ein wenig unsicher. – Äh, Entschuldigung, Mrs., äh, Ewart, äh, ist Ihr Mann da? fragte er.
    – Aye … einen Augenblick, sagte Maria und rief Duncan, der Wullie Birrell gleich hereinbat und ihn Maria als Freund von der Arbeit vorstellte.
    Wullie Birrell freute sich über Duncans Herzlichkeit, sie machte ihn aber etwas verlegen. – Mr. Ewart, äh, Johnny Dawson hat mir Ihre Adresse gegeben … ich wollt mich nur bedanken wegen gestern, stieß Wullie nervös hervor. – Hab gehört, Abercrombie hat sich gründlich lächerlich gemacht.
    Duncan grinste, obwohl er in Wahrheit wegen seiner Rolle bei Abercrombies Demütigung leise Gewissensbisse hatte. Der Mann verdiente es, von seinem hohen Ross geholt zu werden, und ja, Duncan hatte sich daran weiden wollen. Aber dann hatte er den Kummer auf Abercrombies Gesicht gesehen, als dieser bei Arbeitsschluss zum Parkplatz ging. Normalerweise ging Tam Abercrombie als Letzter, aber diesmal hatte er bei Schichtende gar nicht schnell genug verschwinden können. Eine Sache, die sein Vater Duncan gelehrt hatte, war, dass man nicht vorschnell über andere Menschen urteilen soll, selbst über die eigenen Feinde nicht. Man wusste nie, welchen Mist sie in ihrem Privatleben ertragen mussten. Abercrombie hatte so was Niedergedrücktes an sich gehabt, irgendwas, das durch die Ereignisse des Tages allein nicht zu erklären war.
    Aber drauf geschissen, Wullie Birrells Frau bekam ein Kind. Für wen hielt sich dieses Arschloch Abercrombie, ihm zu verbieten, bei ihr zu sein? – Hat er auch verdient, sagte Duncan hämisch grinsend, – und nenn mich Duncan, Herrgott nochmal. Aye, der komische Kerl war nich direkt begeistert, aber lass uns den Namen nich in diesem Haus erwähnen. Wie geht’s deiner Frau? Gibt’s was zu vermelden? fragte er und wusste die Antwort schon, als er Wullie vom Scheitel bis zur Sohle musterte.
    – Ein kleiner Junge. Siebeneinhalb Pfund. Is unser zweiter kleiner Racker. Kam brüllend und strampelnd raus und wollte gar nich mehr aufhörn, erklärte Wullie mit nervösem Grinsen.
    – Ganz anders als der Erste. Das is n Ruhiger. Is etwa so alt wie der hier, bemerkte er und lächelte Carl an, der diesen Fremden genau beobachtete, auch wenn er dicht bei seiner Mutter blieb. – Habt ihr noch mehr?
    Duncan lachte laut, und Maria verdrehte die Augen. – Einer von der Sorte ist mehr als genug, erwiderte Duncan und senkte dann die Stimme: – Bevor er kam, wollten wir eigentlich die Koffer packen, zwei Tickets nach Amerika kaufen, da ein Auto mieten und einfach drauflosfahren. New York sehen, New Orleans, Memphis, Nashville, Vegas, das volle Programm. Aber dann hatten wir unsern kleinen Unfall hier, dabei fuhr er Carl durch die milchweißen Haare.
    – Nenn ihn nicht immer so, Duncan. Er kommt noch auf die Idee, er wär nich gewollt, flüsterte Maria.
    Duncan betrachtete seinen Sohn. – Nee, unseren verrückten kleinen Märzhasen hier könn wir nich zurückgeben, was?
    – Leg Elvis auf, Dad, drängte Carl. Duncan gingen die Stichworte des Jungen runter wie Butter.
    – Tolle Idee, Sohn, aber erst hol ich uns noch n paar Bier und Gläser, und wir begießen das freudige Ereignis. Darf’s ein Export sein, Wullie?
    – Aye, gern, Duncan, und bring besser noch ein paar kleine Gläser für den Whisky mit.
    – Hört sich wie ein guter Vorschlag an, nickte Duncan, steuerte die Küche an und zwinkerte Maria zu, als Carl ihm folgte.
    Wullie reichte Maria verlegen das Bild, das er in der Hand hielt. Es war die Kinderzeichnung einer Strichmännchen-Familie. Maria hielt sie gegen das Licht und studierte den
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