Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
aufgerissen, sagte Davie. – Wenn ich solchen Abschaum seh, wünschte ich, ich wär ein paar Jahre jünger. Fünf Minuten, mehr bräucht ich nich … verdammt …
    Davie Girvan brach abrupt ab, er traute seinen Augen nicht. Die Kleinen waren durch ein Loch im Drahtzaun gekrochen und kletterten die Böschung zum Fluss runter. An diesem Teil war er seicht, aber er hatte ein abschüssiges Ufer und tückische, tiefe Stellen.
    – MISSUS ! brüllte er die Frau auf der Bank an und zeigte wild gestikulierend auf die Lücke im Maschendraht: – PASSEN SIE AUF IHRE KINDER AUF !
    Ihre Kinder
    DONG
    In blinder Panik drehte Alice den Kopf zur Seite, sah die Lücke im Zaun und stürzte darauf zu. Sie sah sie auf halber Höhe der steilen Böschung stehen. – Yvonne! Komm her, bettelte sie so gefasst sie konnte.
    Yvonne blickte hoch und kicherte. – Nee! rief sie.
    DONG
    Terry hatte einen Stock. Er hieb damit nach dem langen Gras an der Böschung und mähte es um.
    Alice flehte: – Ihr lasst euch die ganzen Süßigkeiten und den Saft entgehen. Ich hab Eis hier oben!
    Ein Glanz des Erkennens trat in die Augen der Kinder. Sie kletterten eifrig die Böschung hoch und durch den Zaun zu ihr. Alice wollte sie am liebsten schlagen, sie wollte sie windelweich prügeln
    sie wollte ihn windelweich prügeln
    Alice Lawson brach in Schluchzen aus und erdrückte ihre Kinder fast mit ihrer Umarmung, nestelte an ihren Sachen und an ihren Haaren herum.
    – Wo ist denn das Eis, Ma? fragte Terry.
    – Das holen wir gleich, Junge, stieß Alice hervor, – das holen wir gleich.
    Davie und Nessy Girvan sahen zu, wie die verstörte Frau mit ihren Kindern davontaumelte, eins fest an jeder Hand, die ebenso zappelig und springlebendig waren, wie sie am Boden zerstört.

[Menü]
Carl Ewart
AUF DER ARBEIT
    Die abgefeilten Metallspäne hingen dick wie Staub in der Luft. Duncan Ewart konnte sie in den Nasenlöchern und in der Lunge spüren. Aber an den Geruch gewöhnte man sich; man bemerkte ihn nur, wenn ihm etwas Konkurrenz machte. Jetzt kämpfte er gegen den weitaus angenehmeren Duft von Pudding mit Vanillesoße an, der aus der Kantine in die Maschinenhalle herüberdrang. Jedesmal, wenn die Schwingtüren der Küche aufflogen, wurde Duncan daran erinnert, dass die Mittagspause näher rückte und das Wochenende bevorstand.
    Er arbeitete geschickt an der Drehbank und mogelte dabei ein bisschen, indem er die Sicherheitsabdeckung leicht anhob, um an dem Metallstück, das er bearbeitete, besser ansetzen zu können. Es war pervers, dachte er, denn in seiner Funktion als Betriebsrat hätte er jeden zur Minna gemacht, der Zeit zu sparen versuchte, indem er sich so über die Sicherheitsbestimmungen hinwegsetzte. Dem Bonus einiger Aktionäre in Surrey oder sonst wo zuliebe riskieren, ein paar Finger zu verlieren? Scheiße, er musste verrückt sein. Aber das war der Job, der unmittelbare Arbeitsprozess. Es war eine ganz eigene Welt, in der man zwischen neun und halb fünf lebte. Und man bemühte sich, sie zu verbessern, in jeder Hinsicht.
    Ein verschwommener Fleck am Rande seines Gesichtsfeldes nahm Gestalt an, als Tony Radden ohne Schutzbrille und Handschuhe vorüberging. Duncan warf einen Blick auf seine neue Astronauten-Uhr. 12.47. Wie zum Henker kam denn das? Beinahe zehn vor. Gleich Mittag. Duncan dachte wieder über die Zwickmühle nach, in der er sich befand; es war ihm schon an vielen Freitagmorgenden so gegangen.
    Die neue Elvis-Single, The Wonder of You , kam an diesem Tag in die Läden. Sie war schon die ganze Woche lang vorab auf Radio One gespielt worden. Aye, der King war zurück, und wie. In the Ghetto und Suspicious Minds waren besser, hatten es aber nur auf Platz zwei geschafft. Dies hier war kommerzieller, eine Ballade zum Mitsingen, und Duncan glaubte, sie würde es bis ganz an die Spitze schaffen. In seiner Vorstellung hörte er die Menschen betrunken mitsingen, sah sie eng umschlungen dazu tanzen. Wenn man die Leute zum Mitsingen und Tanzen brachte, war man auf der Gewinnerstraße. Er hatte beschissene sechzig Minuten Mittagspause, und mit der Buslinie Eins brauchte man nach Leith zu Ards Plattenladen fünfzehn Minuten hin und fünfzehn zurück. Genug Zeit, um die Platte zu kaufen und sich ein belegtes Brötchen und eine Tasse Tee im Canasta zu holen. Die Wahl zwischen dem Singlekauf und einem geruhsamen Pie und einem Pint in Speirs’ Bar, dem nächsten Pub an der Fabrik, wäre ihm sonst nicht schwer gefallen. Aber jetzt verrieten die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher