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Klatschmohn

Klatschmohn

Titel: Klatschmohn
Autoren: Anke Greifeneder
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geschworen, nie wieder in ein Jackett mit Schulterpolstern oder einen Fledermausärmelpulli á la Batman zu steigen, geschweige denn mir Ohrwärmer mit rosa Puschelfell anzuziehen oder gar Leggins - am besten unterm Rock - zu tragen. Und wenn jemand es wagt, in meiner Gegenwart das Wort asymmetrisch oder - noch besser - asymmetrischer Haarschnitt zu verwenden, schreie ich. Mir reicht es schon, dass die Mode der 80er meine gesamten Jugendfotos unvorzeigbar gemacht hat, oder glaubt heute noch jemand ernsthaft, dass bunt gesprenkelte Hornbrillen, die bis zum Mundwinkel hängen, sexy sind? Wenn überhaupt, gehe ich da in Schwarz hin.«

    Katharina, die herzhaft lachen musste ob meiner Ausführungen, schlug vor, wenigstens braune oder caramelfarbene Schuhe zu tragen, denn so, klärte sie mich auf, sei es das persönliche Credo von Armani, braune Schuhe zu Schwarz zu tragen, und in einem Insiderkreis würde man das sicher mit einem anerkennenden Blick honorieren.

    »So wie ich aussehe, wird auch das Armani-Credo nicht helfen können«, ließ ich nach einem vorsichtigen Blick in den Spiegel verlauten.

    Mir war immer noch nicht wohl, und bei der Vorstellung, den Abend alleine durchzustehen, wurde es nicht besser.

    »Will denn keine von euch mich begleiten?«, fragte ich Katharina und Lilli.

    »Wir dachten schon, du fragst nie«, tadelte mich Katharina.

    Und so wurde Katharina zu meiner >plus eins< erklärt, und Lilli bekam Vorrecht auf die nächste Einladung.

    Pünktlich, wie auf der Einladung gebeten wurde, waren Katharina und ich zur Stelle, nur um feststellen zu müssen, die Ersten zu sein.

    Katharina, die als Tochter aus einflussreichem Hause eher Wohltätigkeitsveranstaltungen und Bälle gewohnt war, hatte auch nicht gewusst, dass das Motto »Je später der Abend, desto schöner die Gäste« war, wobei das eigentlich nahe liegend war.

    Wir schlenderten durch die minimal puristisch gehaltene Location, die nur durch verschiedene auf Wände geworfene Dias geschmückt war, auf der Suche nach dem Buffet.

    Weit und breit nichts zu sehen, nicht einmal Kanapees wurden gereicht.
    Dafür aber umso mehr alkoholische Getränke.

    »Gibt’s hier nichts zu essen?«, flüsterte ich Katharina zu, die mit ihrem Outfit wieder übertrieben hatte und wie der lebendig gewordene schwedische Kronschatz über die Veranstaltung oder »Show«, wie man in Modekreisen sagte, wandelte.

    »Vielleicht essen die ja wirklich alle Watte!«, gab Katharina zu bedenken.

    »Watte?«

    »Ja, hast du das noch nie gehört? Angeblich tränken Models Wattebausche mit Orangensaft oder Brühe und essen das, um ihren Magen zu füllen und das Hungergefühl zu unterdrücken.«

    Ich war sprachlos und schaute Katharina an, um zu sehen, ob sie mich hereinlegen wollte. Anscheinend stimmte es.

    »Pia, sei nicht so naiv! Wie willst du denn über eine Fashionshow schreiben ohne das geringste Hintergrundwissen?«

    Das fragte ich mich allerdings auch!

    Nach und nach trudelten die Gäste ein. Schmale, ätherische Wesen mit einer lahm gelegten Mimik, was wahrscheinlich daran lag, dass sie vor lauter Hunger einfach zu kraftlos waren, um zu lächeln.

    Bei den älteren lag es eher an einer Überdosis Botox, aber an sich hatte ich das Gefühl, dass Lachen nicht gut ankam. Wer hätte gedacht, dass Mode ein so ernstes Thema sein konnte?

    Wir versammelten uns auf unseren Plätzen, wobei die Nummern tatsächlich nach Wichtigkeit und Ansehen verteilt waren. In der ersten Reihe saßen der »Jetset« und Modekritiker sowie die Redakteurinnen der wichtigen vier Hochglanzmagazine. In der zweiten Reihe saßen Industriellengattinnen und Politikerfrauen. Ab der dritten kamen wir und einige andere junge Kolleginnen, die nicht für die »Großen Vier« schrieben.

    Hier war es sehr einfach, seinen sozialen Rang festzumachen.

    Reihe drei war okay, gutes Mittelmaß, hatte ich bemerkt. Wahrscheinlich dauerte es fast ein Leben lang, bis man sich zu Reihe eins vorgearbeitet hatte, um dann mit strengem Blick über die neue Sommerkollektion zu gleiten. Mir reichte Reihe drei vollkommen, die Rippen der Models sah man auch bis hierher.

    Wie viele Wattebausche sich in den glatten Bäuchen wohl sammelten?

    Ob es da Geschmacksunterschiede gab?

    Vielleicht hatte man irgendwann eine Lieblingsgeschmacksrichtung und wollte nur noch Wattebausche von dm und wurde ganz wuschig, wenn die alle waren oder man welche von Schlecker nehmen musste.

    Ich konnte förmlich die Gespräche der Model-WG
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