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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen
Autoren: Reinhard Febel
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dünnes Lochin den graublauen Himmel und wärmte nicht. Was mag wohl in alter Zeit hier alles gestanden haben und geschehen sein?, dachte Escarlati und ihn fröstelte. Die Kathedrale bot dem Wetter ihre schmucklose Rückseite, und der Wind schliff daran, umschloss den gewaltigen Kirchturm, die Giralda. Domingo bog den Kopf in den Nacken und staunte. Der Turm schien zu wandern, während Wolken und Seevögel über ihn hinwegzogen. Eine kalte Brise, trocken und laut, strich unermüdlich die Steinquader der Kirchenmauer entlang, deren unterste Reihe noch aus der Zeit römischer Statthalter stammte. Escarlati erkannte dies an Bruchstücken von Inschriften und war an Italien erinnert, sowie an die päpstliche Kapelle im Vatikan, was ihm nicht behagte. Vielleicht handelte es sich um Reste eines Tempels oder eines Stadttores, während der Maurenherrschaft dann auseinandergenommen, durcheinandergewürfelt, wodurch der Sinn dieser Inschriften natürlich verschwand, und wieder neu zusammengesetzt, zum Portal der Mezquita wohl. Und danach erneut permutiert, nun sowohl mit römischen wie auch arabischen Buchstaben bemeißelt, dabei letztendlich getauft durch Zeichen christlicher Handwerksmeister und der Kathedrale einverleibt.
    Steine sind wertvoll, ja, teurer, als man denkt, denn, um sie zurechtzuschlagen, braucht man Sklaven, und zwar viele davon, und jene haben schließlich auch noch andere Dinge zu tun wie: Stadtmauern errichten, Paläste bauen, Galeeren zusammenzimmern und diese dann rudern, wohin auch immer die Herren befehlen …
    Gott liebt es zweifellos, wenn man ihm eine Kirche baut, doch die Steine dazu schon fertig auf den Bäumen wachsen zu lassen, das wäre nun wirklich zu viel verlangt.
    Und auch die Vulkane speien ihre Brocken noch nicht in Würfelform; nein, ein bisschen Mühsal muss schon sein, damit man im Schönen beten kann. Fragt sich allerdings, wem die Mühsal und wem das Schöne. Und ob die einen dann wenigstens für die anderen beten?
    Escarlati grübelte, erforschte seine neue Heimat, spazierte in ihr herum, blickte in die vielen Gassen, die vom Hauptplatz weg in alle Richtungen zu noch unbekannten anderen Plätzen und Dingen führten, begab sich aber in keine hinein. Immer mit der Ruhe!
    Seine Majestät ist a) unpässlich, will aber b) den Meister unbedingt als Erster begrüßen, woraus folgt: Noch gibt es nichts zu tun.
    »Dieser heutige Tag ist vollkommen in Eurer Hand«, hatte der diensthabende Kammerherr gesagt und Escarlati einen Passierschein in die Hand gedrückt, denjenigen erster Klasse mit Siegel nämlich, welcher jederzeit freien Zugang zu allen Teilen des Alcázar gewährt, allerdings auch stets, beim Kommen und auch Gehen, vorzuzeigen ist. Also, zumindest so lange, bis sämtliche Wachhabenden sich Gesicht und Stimme des Betreffenden eingeprägt haben – Letzteres bei einem radebrechenden Napoletano doch wohl eine Angelegenheit von höchstens ein paar Tagen. »Und vielleicht auch der morgige … Spaziert nur frei umher, macht Euch mit unserer schönen Stadt vertraut und seid unbesorgt: Seine Majestät steht spät auf. Wenn. « Der Lakai lächelte vielsagend und auch irgendwie resigniert.»Was Ihr auch immer unternehmen wollt, ich bitte trotzdem, immer gegen Abend vorbeizuschauen …«
    Immer?, dachte Domingo.
    »… sicherheitshalber … man weiß ja nie.«
    Eigenartig. Nun, ich bin der Angestellte, nur ein Befehlsempfänger wie alle anderen am Hofe auch, sagte sich Escarlati – und bin ich dies nicht schon gewohnt? O ja –, sowieso jederzeit bereit für meine Aufgabe, welche immer es sei, also warte ich. Man muss Geduld haben und überdies: andere Länder, andere Sitten.
    Die Reisekiste hatte man als liegenden Schrank in sein neues Quartier geschoben, ein hohes, weißes Zimmer mit zwei Außenfenstern auf einen kleinen Platz, in dessen Mitte ein ziselierter, einem Vogelkäfig ähnelnder Brunnen stand. Das in diesem metallenen Bauer gefangene Wasser sprudelte hoch, leckte am Schmiedeeisen, gab seine Kühle ab, sank dann in den Marmor zurück und erfüllte den Hof und Escarlatis Gemach mit melodischem Gemurmel. Die Sicht aus dem Zimmer, das sich in einem der Vorgebäude des Palastes befand, ging auf Orangenbäume, diese gesprenkelt mit vollkommen runden und ebenso vollkommen einfarbigen Früchten, geometrische Wunder, die meisten davon noch in der Schwebe zwischen dem Blattwerk, doch einige auch am Boden im Sand angeordnet zu einer Billardpartie ohne Spieler.
    Die Aussicht gefiel ihm. Man
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