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Klang des Verbotenen

Klang des Verbotenen

Titel: Klang des Verbotenen
Autoren: Reinhard Febel
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also gerefft. Wieder und wieder kam das Beiboot längsseits, die Männer darin nahmen den gelichteten, tropfenden Anker an Bord, wuchteten ihn zwischen die Bänke, ruderten flussaufwärts soweit das Tau reichte, warfen den Anker wieder ins Wasser, ruckten schwitzend mehrmals am Seil, bis sich die Metallzähne fest im Grund verhakt hatten, gaben dann dem Kapitän auf dem Schiff das Zeichen, und sogleich rannten einige Matrosen auf dem Vordeck der Galeone im Kreis um das Spill, kurbelten das Tau auf und schleppten so die Galeone ein paar Hundert Fuß weiter.
    »Puta madre! So hätte es Colón von Sevilla nicht einmal bis nach Sanlucar geschafft!« Jedes Mal sagte einer der Matrosen dies oder etwas Ähnliches, gefolgt von einem Satz Flüchen. Oder auch: »Unsere Segel mit dem schönen roten Kreuz darauf! Und nun aufgewickelt zu Würsten! Soll mich doch der Teufel holen!«
    Doch die Silhouette der Stadt, des Wunders am Guadalquivir, kam langsam näher. Die Giralda, der alte Turm der Mezquita, einer alten Moschee, lange schon zum Kirchturm der Kathedrale konvertiert, überragte das Ganze, mit riesigen Wimpeln in bunten Farben geschmückt, flatternde Stoffbahnen, lang wie Fuhrwerke, senkrecht auffahrend in den blauen Winterhimmel.
    Zur Rechten trieb der Goldene Turm vorbei und markierte die südwestliche Ecke des Stadtgebietes, ein klobiger, vieleckiger Zylinder, so breit wie hoch, dem man die Dicke der Mauern ansah.
    »Jetzt befindet sich das Gefängnis da drin«, sagte der französische Reisende. »Früher wohnten die Geliebten des Sultans in dem Turm und später diejenigen der Könige und Fürsten – nun ja, Gefängnis ist Gefängnis, so oder so, nicht wahr?«
    »Der einzige Kerker, der die Häftlinge vor der Außenwelt beschützt und nicht umgekehrt – als wollte jemals einer ein Gefängnis belagern«, sagte der dritte Reisende. »Der Turm ist uneinnehmbar seit eh und je.«
    »Einst war er mit purem Gold verschalt«, sagte der Franzose – was nicht stimmte –, »doch inzwischen, denke ich, wird es anderswo benötigt. Ja, es geht abwärts mit dieser Stadt.«
    In der Ferne hinter dem Turm wuchs kräftige Vegetation empor, hohe Palmen über Blätterdächern anderer Pflanzen und Bäume. Die Gärten des Alcàzar.
    Der Torre del Oro, obgleich nur aus Stein, schimmerte kupferfarben im Licht des Nachmittags.
    Seitlich schob sich nun die Halle der Kathedrale ins Blickfeld, einst der größte Tempel der Christenheit, damals, als Sevilla noch in den Schätzen der Kolonien schwelgte und bevor man San Pietro in Rom begonnen hatte. War die Giralda ein Klotz, unverrückbar und scheinbar massiv (obwohl in Wirklichkeit innen eine Rampe nach oben führt, denn der Sultan pflegte mit dem Pferd hinaufzureiten und in den Sonnenuntergang über seinem Reich zu blicken), so war die Kathedrale ein Kokon, filigran, wie aus rotbraunen Spinnfäden zusammengeklebt. – Kann so etwas tatsächlich aus Stein gebaut werden? – Im Inneren trug der Wald aus Strebebögen, teilweise verborgen, das Schiff. Domenico dachte an eine im Brustkorb aufgehängte Lunge, die zusammenfällt, wenn die Rippen brechen, ein widerwärtiges Bild, das ihn verfolgte; hier nicht zum ersten Mal. Er wandte sich kurz ab.
    Die alten Kirchen sind nach innerer, nicht nach äußerer Schönheit gebaut, und wie sie von der Straße aus erscheinen, das ist nicht wichtig – genauso wie die wahre Schönheit des Christenmenschen auch in dessen Innerem zu Hause ist, im Herz, in der Seele.
    Und im Innersten der Kathedrale soll sich der schönste Altar der Welt befinden.
    Der weitere Oberlauf des Guadalquivir war durch eine schwimmende Brücke verschlossen. Man hatte ein gutes Dutzend ausgedienter Schiffsrümpfe entlang einer eisernen Kette im Flussbett verankert und eine Holzbahn darüber gelegt. Scarlatti sah Esel, Kühe, Menschen, Fuhrwerke und auch eine rote Sänfte nach Triana hinüberwechseln, der rechtsseitigen, älteren Ansiedlung, ein wildes Gewirr von Häusern, Kirchen und Türmen, das bis hart an das Ufer heranreichte und in Stegen, Treppen und Steinmauern mit Katzen darauf auslief.
    Mittlerweile hatte das Beiboot an der Stadtseite aufgesetzt, und einige der Männer sprangen an Land. Das Tau war schnell geworfen, träge drehte sich der Bug der Galeone herum und man fädelte den Segler zur Kette aus Schiffen quer zum Fluss hinzu, schob ihn seitwärts wie die Holzperle eines Abakus aus Schiffsrümpfen, mangels Platz Bord an Bord ohne Zwischenraum, sodass die Planken knirschten,
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