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Kishons beste Familiengeschichten.

Kishons beste Familiengeschichten.

Titel: Kishons beste Familiengeschichten.
Autoren: Ephraim Kishon
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unversöhnlicher als vorher ab, sich die Haare schneiden zu lassen. Er findet, daß man sich mit derlei lächerlichen Kleinigkeiten nicht abgeben könne, während unsere Soldaten an der Front stehen.
    Was die Abschaffung des Zähneputzens betrifft, waren wir nicht übermäßig beunruhigt. Auch Gelb ist eine hübsche Farbe. Aber Amirs lockiges Haar – welches obendrein, wie man weiß, rot ist – reicht ihm bereits bis zur Schulter, und vorne fällt es ihm dergestalt über die Augen, daß er nicht einmal annähernd wie ein wohlerzogenes Kind aus guter Familie aussieht, sondern wie ein tibetischer Chow-Chow zur Winterszeit. Der schmerzliche Unterschied besteht darin, daß Hunde mit einem scharfen Geruchssinn ausgestattet sind, der sie für die Beeinträchtigung ihrer Sehkraft schadlos hält. Amir hingegen kann sich nur noch tastend vorwärtsbewegen.
    »Ephraim«, sprach seine Mutter zu mir, »dein Sohn ähnelt immer mehr dem von Wölfen aufgezogenen Dschungelknaben Mowgli.«
    Warum sie das mir gesagt hat und nicht ihm, weiß ich nicht. Jedenfalls beharrt der kleine Wölfling auf seinem ideologisch unterbauten Standpunkt, daß er sich die Haare nicht eher schneiden lassen würde, als bis wir offiziell Frieden haben. Meinem Alternativ-Vorschlag, es lieber umgekehrt zu halten – also sich bis auf weiteres einem regelmäßigen Haarschnitt zu unterziehen und erst nach Abschluß eines Friedensvertrags damit aufzuhören –, wollte er nicht nähertreten. Damit brachte er seine Eltern in eine schwierige Lage, denn wir verabscheuen es, ihm unsere Autorität aufzuzwingen, teils aus pädagogischen Gründen, teils weil er beißt. Andererseits bin ich allergisch gegen Miniatur-Hippies, besonders im eigenen Haus.
    Nicht daß wir vor dem Oktoberkrieg ein leichtes Leben gehabt hätten. Amir entwickelte schon im Alter von zwei Jahren einen heftigen Widerstand gegen jegliche Haarpflege, womit er sich durchaus im Einklang mit den Anti-Establishment-Tendenzen der Yeah-Yeah-Generation auf der ganzen Welt befand. Dabei ist es in den seither vergangenen Jahren geblieben. Das letztemal gelang es uns im Februar, ihn zum Friseur zu schleppen, und auch das nur unter Anwendung des Systems Dr. Kissinger: es würden, so versprachen wir ihm, nur ganz kleine Grenzkorrekturen an beiden Seitenfronten seines Kopfes vorgenommen werden, und dafür winkte ihm reicher Lohn im nächstgelegenen Spielzeugladen…
    »Der Sohn eines angesehenen Schriftstellers«, gab seine Mutter ihm zu bedenken, »kann nicht wie ein Zottelhund herumlaufen, das mußt du doch zugeben.«
    Der Sohn nickte verzweifelt und ließ sich mit der Miene eines zum Tode Verurteilten in den Friseursessel fallen. Er bat sogar um einen Rabbiner, aber das überhörten wir. Die Prozedur ging dann verhältnismäßig glatt vonstatten, Amir trat den Haarschneider nur zweimal ins Schienbein, schwor ihm abschließend ewige Rache und sah hernach geradezu menschlich aus. Diese Täuschung blieb noch wochenlang aufrecht.
    Und dann kam der Oktoberkrieg – mit einer unerwarteten moralischen Rechtfertigung für Amir. Als im Fernsehen die Aufnahmen von der Überquerung des Suezkanals gezeigt wurden, deutete Amir triumphierend auf den Bildschirm:
    »Seht ihr? Auch unsere Soldaten lassen sich nicht die Haare schneiden!«
    Das traf tatsächlich zu, wahrscheinlich infolge der Eile, mit der man sie fünf Minuten vor zwölf einberufen hatte. Fast unter allen Helmen lugten die langen Haare unserer tapferen jungen Samsonsöhne hervor, ohne die leiseste Rücksicht auf Amirs Eltern. Nach den Fernsehbildern zu schließen, hat die israelische Armee auch keine Zeit zum Rasieren. Natürlich beeindruckt das einen kleinen rothaarigen Trotzkopf wie Amir.
    Mein Schwiegervater versuchte es mit ökonomischer Bestechung:
    »Wenn du dir die Haare schneiden läßt, bekommst du von mir ein Abonnement auf die ›Tierwelt‹. Ein Jahresabonnement!«
    Amir entschied sich gegen die wilden Tiere und für die wilden Haare.
    Ich bot ihm ein Fahrrad an. Als er auch das ablehnte, wußte ich, daß es ihm ernst war.
    »Diesmal wird er kämpfen«, prophezeite die beste Ehefrau von allen, und sie hatte recht. Unserem Versuch, ihn im Badezimmer zu überwältigen, begegnete er mit einem Geheul von so unheimlich stereophonischer Lautstärke, daß wir den Rückzug antraten.
    Vielleicht wird der oder jener sich fragen, warum wir ihn nicht im Schlaf mit dem Ausruf »Eltern über dir, Amir!« seiner Haartracht entledigten. Nun, erstens sind wir
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