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Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition)
Autoren: Carina Bartsch
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freute mich wahnsinnig für sie.
    Auch in diesem Moment, als sie mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre es ihr eigenes Wohnzimmer, durch die mit Menschen gefüllte und riesengroße Aula der Uni stolzierte, strahlte sie übers ganze Gesicht.
    »Emely«, sagte sie und erreichte mich. »Es ist Donnerstagnachmittag, wunderschönes Wetter und ich habe gehört, meine beste Freundin – die bestimmt noch einen uralten Badeanzug aus ihrer Kindheit besitzt – fährt mit mir ins Freibad.« Sie wippte von den Fersenballen auf die Zehenspitzen und wieder zurück.
    Ich seufzte. »Da muss sich die Flüsterpost wohl getäuscht haben. Erstens ist der Badeanzug bei weitem noch nicht so alt und zweitens muss ich bis morgen zweihundert Seiten lesen. Deswegen, so leid es mir tut, musst du auf meine Begleitung wohl verzichten.«
    Alex stellte ihr Wippen ein und verformte ihren Mund zu einer Schnute. »Och Mann … Ich hatte so gehofft, du würdest mitkommen.«
    »Alex, tut mir leid«, sagte ich. »Aber ich schaffe es einfach nicht. Muss ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben, weil ich dir den Nachmittag verdorben habe oder kannst du noch jemand anderen fragen?«
    »Na ja«, begann sie, »Elyas kommt mit, also hast du mir den Nachmittag nicht verdorben. Trotzdem finde ich es schade; zu dritt wäre es bestimmt viel lustiger geworden.«
    Zu dritt? Meine Augen weiteten sich. Hätte ich gewusst, dass ihr dämlicher Bruder mitkommen würde, wäre meine Antwort ohnehin ein klares Nein gewesen.
    Offenbar, so machte es zumindest den Anschein, kam Alex ziemlich gut mit ihm zurecht, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Aber die beiden hatten schon seit klein auf ein gutes Verhältnis gehabt. Nun ja, man musste nicht alles im Leben verstehen.
    »Alex, ein andermal, okay?« Seltsamerweise war ich nun keinen Deut mehr traurig darüber, bei diesem schönen Wetter in der Bibliothek vergammeln zu müssen.
    »Meinetwegen«, schmollte sie, nahm es aber hin. »Hast du dann wenigstens heute Abend noch ein bisschen Zeit für mich?«
    »Wenn ich rechtzeitig mit dem Buch fertig werde, schaue ich noch auf einen Sprung vorbei. Versprechen kann ich allerdings nichts.«
    »Zu spät, hast du schon!« Sie grinste. »Dann also bis heute Abend, ich muss jetzt los. Mach‘s gut!« Noch ehe ich etwas erwidern konnte, tänzelte sie auch schon davon.
    Kopfschüttelnd sah ich ihr nach und fragte mich, wo sie nur immer diesen widerlichen Elan herbrachte. Ich seufzte, machte kehrt und begab mich in die alte und großräumige Bibliothek der Hochschule. Dort angekommen setzte ich mich auf meinen Stammplatz und sog erst einmal den vertrauten und beruhigenden Duft dieser Örtlichkeit ein. Es roch nach altem Holz, nach Büchern, die schon viele Jahre vor meiner Geburt geschrieben worden waren, und nach längst vergangener Zeit. An den Seiten ragten gewaltige Gemäuer hervor, rahmten die hohen Deckengewölbe ein und verliehen dem Ort eine geheimnisvolle Aura.
    Ich fühlte mich wohl hier und wie so oft gab es außer meinem nur wenige weitere besetzte Plätze. Nachdem ich mich ein bisschen umgesehen hatte, legte ich das besagte Buch vor mich auf den Tisch und begann, die Zeilen in mich aufzunehmen. Auch wenn sich diese leider als sehr kompliziert erwiesen, kam ich die erste Zeit trotzdem einigermaßen gut voran. Nach zwei Stunden jedoch füllte sich die Bibliothek zusehends und der Geräuschpegel stieg merklich an. Als sich dann noch zwei junge Frauen an den Nebentisch setzten und darüber schwärmten, wie toll doch Chris im Bett wäre, packte ich genervt meine Sachen zusammen und verlagerte das Lernen in meine Wohnung.
    Der Begriff »Wohnung« grenzte in meinem Fall allerdings an Übertreibung, denn in Wahrheit glich meine Behausung eher einer Schuhschachtel. Ich war in einer Art Studentenwohnheim untergebracht, das direkt an das Unigelände grenzte, und die Beschreibung »Klo-Dusche-Bett« traf es relativ gut auf den Punkt. Für alles andere, wie zum Beispiel die Küche, gab es Gemeinschaftsräume, die wir uns mit den anderen Bewohnern der Etage teilen mussten.
    Hier zu leben hatte tausend Nachteile, jedoch einen entscheidenden Vorteil: Es war günstig.
    Zu Anfang hatte es eine ganze Weile gedauert, aber seit ich mir das Zimmer einigermaßen gemütlich eingerichtet und mich – zumindest halbwegs und insofern das überhaupt möglich war – an Eva gewöhnt hatte, fühlte ich mich tatsächlich wohl und bezeichnete es mittlerweile sogar gerne als mein
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