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Kirschroter Sommer (German Edition)

Kirschroter Sommer (German Edition)

Titel: Kirschroter Sommer (German Edition)
Autoren: Carina Bartsch
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mitbekommen, dass er ebenfalls in Berlin lebte. Aber weil er an einer anderen Universität studierte als ich, hatte ich keinen weiteren Gedanken daran verschwendet. Die Stadt war schließlich groß genug – dachte ich zumindest. Denn wie ich jetzt erfuhr, lag seine Wohnung nur ungefähr zehn Minuten Fahrt von meiner entfernt. Mich beschlich ein seltsames Gefühl bei der Vorstellung, ihm nach dieser langen Zeit wieder zu begegnen. Ich hätte gern darauf verzichtet, versuchte aber krampfhaft, dieses ungute Gefühl zu verdrängen. Die Hauptsache war, Alex wieder zu haben.
    Mit einem unsanften Ruckeln kam der Bus zum Stehen, und das Zischen der Türen gab mir das Zeichen zum Aussteigen. Kaum hatte ich den Gehweg betreten, sah ich auch schon Alex, Ingo und Alena, die in einigen Metern Entfernung Kartons aus einem weißen Sprinter schleppten. Alena und Ingo waren Alex’ Eltern und zusammen bildeten die drei den Part der Familie Schwarz, den ich über alles liebte. Ich hatte meine halbe Kindheit bei ihnen verbracht und im Laufe der Jahre waren die beiden fast zu einer Art zweite Eltern für mich geworden.
    »Aaahh!«, quietschte Alex auf, als sie mich entdeckte, und mit einem lauten Klirren fiel der Umzugskarton zu Boden, den sie gerade in den Händen gehalten hatte. Schon beim nächsten Atemzug setzten sich ihre Füße in Bewegung und rannten mit der geballten Energie, die sich in dem laufenden ein Meter fünfzig befand, auf mich zu. Hatte ich schon ihre Neigung zur Hyperaktivität erwähnt?
    Kurz überlegte ich, ob ich mich in letzter Sekunde ducken sollte, um sie ins Nichts springen zu lassen. Doch obwohl ich die Idee äußerst amüsant fand, wäre das wohl doch ein bisschen zu gemein gewesen. Aber wirklich nur ein bisschen.
    Lachend öffnete ich schließlich die Arme und spürte, wie meine zierliche beste Freundin regelrecht in sie hineinfiel und mich dabei fast umschmiss. »Emely Baby!«, rief sie aus und zerquetschte mich beinahe. Quetschen kann ich auch, dachte ich mir und erwiderte den Druck gleichermaßen. Ich konnte es noch gar nicht fassen, mich nicht schon bald wieder von ihr verabschieden zu müssen. Sie würde hier bleiben und mir tagtäglich auf die Nerven gehen, so wie sie es früher immer getan hatte. Ich seufzte zufrieden, bis sie sich auf einmal von mir löste.
    »Du bist fünfzehn Minuten zu spät!«, sagte sie mit zusammengekniffenen Augen.
    Ich seufzte erneut, dieses Mal allerdings genervt. Alex war definitiv die Ausgeburt eines Monsters, was ihr unschuldiges Äußeres niemals hätte vermuten lassen. Ebenso wie ihre Mutter besaß sie hellbraune lockige Haare, die sie meistens offen trug. Und in ihren Augen glänzte das gleiche gebirgsflussklare Blau wie in denen ihres Vaters.
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, packte sie mich am Arm und schleifte mich zu ihren Eltern. Alena empfing mich mit einem Strahlen, kam mir die letzten zwei Schritte entgegengelaufen und fiel mir um den Hals.
    »Geht’s dir auch gut?«, erkundigte sie sich und nahm mein Gesicht in ihre Hände. Ich nickte lächelnd.
    Alena war gebürtige Polin, hatte grüne Augen und besaß ausgesprochen feine und weiche Gesichtszüge. Auch wenn das Alter in Form von kleinen Falten langsam seine Spuren bei ihr hinterließ, so hatte sie trotzdem ihre Jugend noch nicht vollkommen verloren. Umso länger ich sie ansah, desto klarer wurde mir, dass ich sie schon viel zu lange nicht mehr gesehen hatte.
    Ingo hielt sich wie immer ein bisschen abseits, verfolgte die Begrüßungsarie mit einem Lächeln aus der Ferne, ehe auch er sich langsam näherte und mir eine zurückhaltende Umarmung schenkte.
    Ingo war der typische Fall von: Man(n) wird nicht älter, sondern interessanter. Sein Gesicht war markant und seine schwarzen Haare zeichneten sich inzwischen an den Schläfen leicht gräulich ab. Ingo war ein Mensch, der nicht viel redete, aber wenn er es tat, dann hörte man ihm zu. Er praktizierte als Arzt in der Neustädter Klinik, in der auch Alena seit ein paar Jahren als Krankenschwester arbeitete.
    »Du wirst immer hübscher«, lächelte er mich an.
    Oh. Super .
    Ein Kompliment. Keine Beleidigung der Welt konnte eine so furchtbare Wirkung wie ein Kompliment haben. Fand ich zumindest, denn mit Beleidigungen wusste ich wenigstens umzugehen.
    Was auch immer Ingo meinte, ich konnte es beim besten Willen nicht nachvollziehen. Mit meinen dunklen Haaren, die mir bis unters Schulterblatt reichten, der … na ja, sagen wir halbwegs passablen Figur und den
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