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Kirschenküsse

Kirschenküsse

Titel: Kirschenküsse
Autoren: C Bomann
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Haustür sitzen. Ihr Fahrrad lehnte am Gartenzaun. Solche Überraschungsbesuche waren bei Mona nicht selten. Wenn sie Langeweile hatte, kam sie zu mir.
    »Hey, wo warst du denn?« Mona erhob sich von der Treppenstufe. »Ich hab versucht, dich auf dem Handy zu erreichen, aber du hast dich nicht gemeldet. Wollte schon nach dir suchen.«
    Mist, ich musste das Klingeln überhört haben, während ich mit Ivy an der Maschine gesessen hatte. Und danach hatte ich auch nicht mehr aufs Handy geschaut.
    »Ich war …« Sollte ich es ihr erzählen? »Ich bin nur ein bisschen rumgelaufen«, platzte es aus mir heraus, bevor ich weiter überlegen konnte. Warum sagte ich ihr nicht einfach, dass ich bei Ivy war? Um mein schlechtes Gewissen zu überspielen, fügte ich schnell hinzu: »Ich wollte wegen des Entwurfs nachdenken. Irgendwie fiel mir zu Hause nichts ein.«
    »Du musst ja ziemlich tief in Gedanken gewesen sein, wenn du nicht mal dein Handy gehört hast.«
    »Ich hatte es ausgestellt«, schwindelte ich schnell. »Ich wollte ganz in Ruhe nachdenken.«
    O Gott, hoffentlich klingelte es jetzt nicht plötzlich!
    Mona musterte mich prüfend. Sah man mir die Lüge an? Bloß gut, dass die Fotos von Ivy erst morgen fertig waren. Es war kein Fotopapier mehr da gewesen und Ivys Mutter wollte erst am Abend welches mitbringen.
    »Wollen wir runter in die Stadt?«, fragte Mona schließlich.
    »Ähm, weißt du, der Einsendeschluss von dem Modewettbewerb ist schon in drei Tagen. Ich wollte mich jetzt eigentlich an den Entwurf setzen. Aber komm doch noch kurz mit rein.«
    Mona stockte. Was war los?
    »Nein, ich glaub, ich fahr wieder nach Hause. Wir können uns ja morgen treffen.«
    Oh, oh, das klang niedergeschlagen. Dabei wollte ich sie doch nicht verärgern.
    »Klar doch. Um vier am Brunnen?«, hörte ich mich antworten.
    Mona lächelte jetzt wieder und ging zu ihrem Rad. »Prima. Und dann will ich unbedingt deinen Entwurf sehen!«
    »Abgemacht!« Als ich Mona nachsah, wie sie die Straße hinunterradelte, fühlte ich mich irgendwie schlecht. Ich werde es wiedergutmachen, sagte ich mir.
    Den ganzen Abend saß ich an meinem Entwurf. Der Besuch bei Ivy hatte Wunder gewirkt. Plötzlich hatte ich so viele Ideen im Kopf, dass ich mich kaum für eine entscheiden konnte.
    Zwischendurch fiel mir siedend heiß ein, dass ich noch Hausarbeiten machen musste, doch die erledigte ich so fix wie möglich und begab mich wieder an den Zeichenblock. Morgen musste ich unbedingt ein paar Stoffreste bei Ivy schnorren. Ich hatte noch ein paar rosafarbene Schleifen, aber mit schwarzem Satin und schwarzer Spitze sah es schlecht aus. Außerdem hatte ich im Internet nachgeschaut, wie ein Stoffmuster auszusehen hatte. Die kleinen Stoffstücke, die ich bei Google in der Bildsuche gefunden hatte, hatten alle Zacken an den Rändern gehabt. Bestimmt besaß Ivy eine passende Schere.
    Am nächsten Morgen quetschte mich Mona nach meinem Entwurf aus. Als ich ihr erzählte, dass ich etwas in der Gothic-Richtung machte, war sie von den Socken.
    »Wie bist du denn darauf gekommen?«
    »Ich hab was im Fernsehen gesehen. Das soll im Moment total angesagt sein. Außerdem machen das die Jungs von Tokio Hotel auch.«
    Mona winkte ab. »Die sind doch mittlerweile schon wieder out. Du solltest vielleicht so was Verrücktes wie Lady Gaga machen.«
    »Seit wann stehst du denn auf die?« Was den Musikgeschmack anging, waren wir uns eigentlich einig. Wir mochten eher die Beatsteaks und Mando Diao.
    »Gar nicht«, entgegnete Mona. »Aber du musst zugeben, dass ihre Outfits abgefahren sind. Ich würd ja nie so rumlaufen wollen, aber bei allem, was man von den Modeleuten so hört …«
    »Kommt trotzdem nicht in die Tüte!«, antwortete ich entschlossen. »Ich habe mich für Gothic entschieden und dabei bleibt’s. Außerdem will ich nicht, dass ein Hund den Briefträger überfällt, nur weil ich als Stoffprobe ein Schnitzel mitschicke!«
    Mona verstand meine Anspielung auf Lady Gagas Fleischkleid und lachte.
    Nachmittags um zwei stand ich wieder vor Ivys Tür. Wenn ich anderthalb Stunden blieb, würde ich noch genug Zeit haben, um zum Brunnen zu gehen und Mona meinen Entwurf zu zeigen. Anschließend würde ich zu Hause noch mal alles ordnen und den Brief gleich zur Post bringen – das wollte ich doch lieber selbst machen und nicht Mama überlassen. Und dann würde das Warten beginnen.
    Diesmal öffnete nicht Ivy die Tür. Ein Mädchen mit roten Korkenzieherlocken und einem weiß-rosa
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