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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
Autoren: Sue Grafton
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geschlafen. Ich habe ihr ein Valium gegeben.«
    »Ich kann auch später wiederkommen, wenn Sie das für besser halten.«
    »Nein, nein. Sie ist bestimmt wach, und ich weiß, dass sie mit Ihnen sprechen will. Kommen Sie doch herein.« »Danke.« Ich folgte Phyllis durch die Diele und einen mit Teppich ausgelegten Flur entlang bis zu Seimas Schlafzimmer. Im Vorübergehen warf ich einen kurzen Blick durch die Türen rechts und links des Flurs. Ich gewann den Eindruck, dass alle Räume hoffnungslos überladen waren. Die Vorhänge und Bezugsstoffe im Wohnzimmer waren auf eine rosa-grüne Tapete abgestimmt, die mit Blumensträußen und pinkfarbenen Schleifen bedruckt war. Auf dem Couchtisch stand ein üppiges Bouquet pinkfarbener Seidenblumen. Der Velours-Teppichboden war blaßgrün und verströmte jenen intensiv chemischen Geruch, der darauf schließen ließ, dass er erst kürzlich verlegt worden war. Das Mobiliar im Eßzimmer war streng und unpersönlich: überall dunkles, glänzendes Holz, wobei der Raum im Verhältnis zu seiner Größe überladen war mit Möbelstücken. An den Fensterscheiben hatte sich ein weißer Kondensationsfilm angesammelt. Die Dämpfe von Zigarettenrauch und Kaffee vermischten sich zu einem penetranten Geruch.
    Phyllis klopfte an die Tür. »Selma? Ich bin's, Phyllis.«
    Ich vernahm eine gemurmelte Antwort. Phyllis öffnete einen Spaltweit die Tür und spähte um den Türrahmen herum. »Du hast Besuch. Es ist eine Dame - diese Detektivin aus Carson City.«
    Ich wollte sie schon korrigieren, überlegte es mir dann aber anders. Ich war nicht aus Carson City, und ich war mit Sicherheit keine Dame, aber was spielte das schon für eine Rolle? Durch den Türspalt konnte ich einen Blick auf die Frau im Bett werfen: ein Gewirr platinblonden Haares, eingerahmt von den Pfosten eines Himmelbetts.
    Offenbar war ich hereingebeten worden, denn Phyllis trat einen Schritt zurück und sagte, als ich vorüberging, halblaut zu mir: »Ich muß jetzt nach Hause, aber Sie können jederzeit vorbeikommen, falls Sie etwas brauchen.« Ich nickte ihr dankend zu, betrat das Schlafzimmer und schloß die Tür hinter mir. Die Vorhänge waren zugezogen und das Licht gedämpft. Zierkissen lagen rings um das Bett auf dem Teppich. Es gab Unmengen von Rüschen, und knallbunte Stoff- und Tapetenmuster bedeckten Wände, Fenster und die bauschige Bettwäsche. Das Motiv schien auf Berührung explodierende Rosen darzustellen.
    »Es tut mir leid, wenn ich Sie störe«, begann ich, »aber Phyllis meinte, es würde Ihnen nichts ausmachen. Ich bin Kinsey Millhone.«
    Selma Newquist setzte sich in ihrem ausgebleichten Flanellnachthemd auf und strich die Bettdecke glatt, wobei sie mich an eine Kranke erinnerte, die ihr Essenstablett erwartet. Nach einem Blick auf ihre Handrücken, die mit Leberflecken übersät und von Venen durchzogen waren, schätzte ich sie auf Ende Fünfzig. Ihr Teint ließ auf einen dunklen Typ schließen, doch ihr Haar war ein Wust weißblonder Locken und wirkte wie Zuckerwatte. Momentan hing der ganze Turm zur Seite und schien von Haarspray verklebt zu sein.
    Sie hatte sich die Augenbrauen mit einem rotbraunen Stift nachgezogen, aber Eyeliner oder Lidschatten waren schon lange abgegangen. Durch die Streifen in ihrem dicken Make-up konnte ich die fleckige Gesichtshaut sehen, die auf zuviel Sonneneinwirkung hinwies. Sie griff nach ihren Zigaretten, indem sie auf dem Nachttisch herumtastete, bis sie Päckchen und Feuerzeug gefunden hatte. Ihre Hand zitterte leicht, als sie sich die Zigarette anzündete. »Kommen Sie doch hier rüber«, sagte sie und zeigte auf einen Stuhl. »Nehmen Sie die Sachen runter und setzen Sie sich hierhin, damit ich Sie besser sehen kann.« Ich nahm ihren gesteppten Morgenmantel vom Stuhl und legte ihn aufs Bett. Dann zog ich den Stuhl näher heran und setzte mich. Sie starrte mich mit ihren geschwollenen Augen an, während ihr beim Sprechen ein dünner Rauchfaden aus dem Mund quoll. »Tut mir leid, dass Sie mich so sehen müssen. Normalerweise bin ich um diese Zeit schon auf, aber heute war ein harter Tag.«
    »Aha«, sagte ich. Der Rauch senkte sich langsam auf mich herab wie die feinen Tröpfchen, wenn einen jemand angeniest hat. »Hat Phyllis Ihnen Kaffee angeboten?«
    »Bitte machen Sie sich keine Umstände. Sie ist wieder zu sich nach Hause gegangen, und ich brauche nichts, danke. Ich möchte nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen als nötig.«
    Sie sah mich ausdruckslos an. »Ist doch egal«,
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