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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
Autoren: Sue Grafton
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Speiseplan wurde reichhaltiger und umfasste Pizza, Gerichte vom Chinesen und Campbells-Suppen - Tomate oder Spargelcreme, je nach Laune.
    Nach Ablauf von zwei Wochen kam Dietz ganz gut wieder allein zurecht. Die Fäden waren gezogen, und er hinkte zwischen seinen krankengymnastischen Terminen mit einer Krücke herum. Er hatte noch einen langen Heilungsprozeß vor sich, aber er konnte allein zu seinen Behandlungen fahren und schien auch sonst imstande zu sein, für sich zu sorgen. Mittlerweile hielt ich es nicht mehr für ausgeschlossen, dass ich durchdrehen würde, wenn ich noch länger hinter ihm herlief. Es war Zeit, mich auf den Weg zu machen, bevor unsere Zweisamkeit lästig zu werden begann. Ich war gern mit ihm zusammen, doch ich kannte meine Grenzen. Ich hielt meine Abschiedsworte oberflächlich; jede Menge lässiges »Okay«, »Prima«, »Vielen Dank« und »Bis bald«. Das war meine Art, den schmerzhaften Kloß in meinem Hals zu verdrängen und peinliches Geheule zu verhindern, das meiner Meinung nach lieber unterbleiben sollte. Verlangen Sie bloß nicht von mir, den Jammer, den ich empfand, mit dem fast schwindelerregenden Gefühl von Erleichterung in Einklang zu bringen. Niemand hat je behauptet, dass Gefühle schlüssig sein müßten.
    Und hier war ich nun und raste auf der Suche nach Arbeit die Landstraße entlang, alles andere als wählerisch, was meinen nächsten Auftrag anging. Ich wollte Ablenkung. Ich wollte Geld, Zer- Streuung, alles, um meine Gedanken vom Thema Robert Dietz fernzuhalten. Ich habe kein Talent fürs Abschiednehmen. Ich habe schon zu viele Trennungen erlebt und kann das Gefühl nicht ausstehen. Andererseits habe ich aber auch kein Talent für Beziehungen. Man kommt jemandem nahe, und im Handumdrehen hat man ihm schon die Macht gegeben, einen zu verletzen, zu betrügen, zu ärgern, zu verlassen oder zu Tode zu langweilen. Meine gewohnte Strategie ist es, auf Distanz zu bleiben und damit einer Menge unkontrollierbarer Gefühle aus dem Weg zu gehen. In psychiatrischen Kreisen gibt es Bezeichnungen für Menschen wie mich.
    Ich schaltete das Autoradio ein und erwischte einen knisternden Sender aus Los Angeles, 450 Kilometer weiter südlich. Nach und nach begann ich mich an die Landschaft um mich herum zu gewöhnen. Der Highway 395 verläßt Carson City in südlicher Richtung, durch Minden und Gardnerville. Nördlich von Topaz hatte ich die Staatsgrenze überquert und befand mich nun in Ostkalifornien. Das Rückgrat des Bundesstaates bildet die steil aufragende Sierra Nevada Range, die hochgekippte Kante eines riesigen Verwerfungsblocks, der später von mehreren Gletschern abgeschliffen wurde. Zu meiner Linken lag der Mono Lake, der pro Jahr um einen halben Meter Umfang schrumpft, immer salzhaltiger wird und wenig Leben im und am Wasser zuläßt, außer Salzwasserkrabben und Vögel, die sich von ihnen ernähren. Irgendwo zu meiner Rechten, hinter einem dunkelgrünen Wald aus Jeffreykiefern, lag der Yosemite-Nationalpark mit seinen hohen Gipfeln, zerklüfteten Canons, Seen und tosenden Wasserfällen. Wiesen, die jetzt von einer dünnen Schneeschicht überzuckert waren, bildeten einst den Grund eines pleistozänischen Sees. Später im Frühling würden diese Wiesen von Wildblumen übersät sein. In den höheren Lagen war die winterliche Schneedecke noch nicht geschmolzen, doch die Pässe waren offen. Es war die Art von Landschaft, die von Leuten, die sich leicht beeindrucken lassen, »atemberaubend« genannt wird. Ich bin kein großer Natur-Fan, doch selbst ich war fasziniert genug, um »wow« zu murmeln, während ich mit 110 Stundenkilometern an einem Aussichtspunkt vorbeiraste. 1 2
    Bei der potentiellen Klientin, zu der ich unterwegs war, handelte es sich um eine Frau namens Selma Newquist, deren Mann irgendwann in den letzten Wochen gestorben war. Dietz hatte früher einmal für sie gearbeitet, indem er ihr half, sich aus einer unerquicklichen ersten Ehe zu lösen. Ich hatte nicht alle Einzelheiten erfahren, aber er hatte durchblicken lassen, dass das, was er über die Finanzgeschäfte ihres Ehemannes ausgegraben hatte, ihr genug Macht gab, um sich aus der Beziehung zu befreien. Dann kam die zweite Ehe, und offensichtlich hatte der Tod ihres zweiten Ehemannes Fragen aufgeworfen, die seine Witwe beantwortet haben wollte. Sie hatte angerufen und Dietz engagieren wollen, doch weil er momentan außer Gefecht gesetzt war, hatte er mich empfohlen. Ich bezweifelte, dass Mrs. Newquist unter
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