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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
Autoren: Sue Grafton
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soweit ich sehen konnte, handelte es sich um einen Standardfall. Ich schätzte, daß jemand bei Wood/Warren Druck auf die California Fidelity ausübte, damit sie die Angelegenheit schnell regelte, und das erklärte vielleicht Andys Panik. Er ist immer auf Lob aus, hat Angst vor Kritik und steckt nach allem, was ich so höre, mitten in einer schlimmen Krise mit seiner Frau. Wahrscheinlich war er die Quelle des leichten Anflugs von Hysterie, der diesen Fall begleitete. Vielleicht verließ sich Mac auch auf ihn.
    Colgate ist die Schlafstadt, die sich an Santa Teresa anschließt. Hier gibt es Wohnungen, die sich die durchschnittliche, arbeitende Bevölkerung leisten kann. Während neue Bauwerke in Santa Teresa den strengen Vorschriften der Baubehörde unterliegen, folgt man in Colgate keinem bekannten Plan, und so lassen sich die Häuser kaum beschreiben. Es gibt eine Hauptstraße, gesäumt von Donut-Läden, Fast-Food-Restaurants, Schönheitssalons und Möbelgeschäften, die sich auf Furnier und Plastik, Velours und Kunstleder spezialisiert haben. Von dieser Durchgangsstraße erstrecken sich Wohntrakte in alle Richtungen. Die Häuser erinnern an die konzentrischen Ringe auf einem Baumstumpf, ziehen sich spiralförmig Dekade um Dekade immer weiter bis nach außen, wo die neuesten Häuser aufs offene Land Vordringen oder das, was noch davon übrig ist. Hier und da kann man an verlassenen Fleckchen noch Zeichen der alten Zitrushaine sehen, die dort einmal blühten.
    Das Firmengelände von Wood/Warren lag in einer Seitenstraße, die zu einem verlassenen Autokino führt, das jetzt am Wochenende als Flohmarkt dient. Die Rasenflächen vor den benachbarten Fabrikgebäuden waren kurz geschnitten, und die Büsche waren zu perfekten Würfeln gestutzt. Ich fand einen Parkplatz vor dem Haus und stieg aus. Das Gebäude war ein gedrungenes Haus, anderthalb Stockwerke hoch, aus weißem Putz und Feldsteinen. Das Lagerhaus selbst lag zwei Blöcke entfernt. Ich würde die Brandstätte besichtigen, wenn ich mit Lance Wood gesprochen hatte.
    Die Eingangshalle war klein und einfach, ausgestattet mit einem Schreibtisch, einem Bücherregal und einer vergrößerten Fotografie des FlFA-5000-Ofens, dem das Unternehmen sein Vermögen verdankte. Er sah aus wie ein übergroßer Küchenherd mitsamt Edelstahltresen und eingebauter Mikroweile. Aus der säuberlich gerahmten Liste daneben gingen die technischen Daten des FIFA 5000 hervor.
    Hinter mir kehrte die Empfangsdame mit einer frischen Tasse Kaffee und einer Styroporpackung an ihren Platz zurück, die nach Würstchen und Eiern roch. Das Plastikschild auf ihrem Tisch verriet mir, daß ihr Name Heather war. Sie war Mitte Zwanzig und hatte anscheinend noch nichts über die Gefahren von Cholesterin und Fett gehört. Letzteres würde sie schon bald an sich entdecken.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Ihr Lächeln enthüllte die Spangen an ihren Zähnen. Ihr Gesicht war noch gerötet, weil sie am Vorabend eine Aknemaske aufgetragen hatte, die aber bislang noch nicht viel Wirkung zeigte.
    »Ich bin für neun Uhr mit Lance Wood verabredet«, erklärte ich. »Ich arbeite für die California-Fidelity-Versicherung.«
    Ihr Lächeln verblaßte ein wenig. »Sie untersuchen die Brandstiftung?«
    »Nun, ich bin hier wegen des Anspruchs auf Feuerversicherung«, verbesserte ich sie und überlegte, ob sie der irrigen Ansicht war, »Brandstiftung« und »Brand« seien gleichbedeutend.
    »Oh. Mr. Wood ist noch nicht da, aber er muß jeden Augenblick kommen.« Die Spangen verliehen ihrer Aussprache ein Lispeln, das sie amüsierte, wenn sie sich selbst hörte. »Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen, während Sie warten?«
    Ich schüttelte den Kopf. Es gab einen Stuhl, und auf den setzte ich mich und vergnügte mich damit, eine Broschüre über einen anderen Schmelzofen durchzublättern. Diese Leute hier hatten etwa genausoviel zu lachen wie ich daheim, wo meine Hauptunterhaltungsquelle ein Buch über die praktischen Aspekte der Ballistik, über Feuerwaffen und kriminalistische Techniken ist.
    Durch eine Tür zu meiner Linken konnte ich ein paar Büroangestellte sehen, lässig gekleidet und geschäftig, aber irgendwie düster. Ich spürte nichts von Kameradschaft zwischen ihnen, aber vielleicht läßt die Herstellung von Industrieöfen nicht die Art gutmütiger Neckerei aufkommen, wie ich sie von der California Fidelity her kannte. Zwei Schreibtische waren leer.
    Man hatte den Versuch gemacht, alles weihnachtlich zu dekorieren.
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