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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Autoren: Sue Grafton
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bitte.«
    Ich sah es mir noch einmal an. Die Vorstellung war etwas beunruhigend, daß hier ein Augenblick vor nicht allzu langer Zeit eingefangen worden war, in dem beide Frauen so sorglos gelächelt hatten und nicht ahnten, daß ihnen etwas Bedrohliches bevorstand. Jetzt war die eine tot, und die andere wurde vermißt. Mir gefiel diese Kombination überhaupt nicht.
    »Waren Elaine und diese Frau gut befreundet?« fragte ich.
    »Nicht richtig. Sie spielten ab und zu Bridge zusammen, aber ansonsten verkehrten sie nicht miteinander. Elaine ist den meisten Menschen gegenüber ein bißchen unnahbar. In der Tat war Marty wegen Elaines Art öfters etwas eingeschnappt. Nicht, daß sie mir jemals viel erzählt hätte, aber ich kann mich erinnern, daß sie von Zeit zu Zeit ein bißchen gehässig wurde. Elaine gönnt sich einiges — darüber besteht kein Zweifel — , und sie ist ein bißchen unsensibel gegenüber einigen Leuten, die sich nicht so ein feines Leben wie sie leisten können. Ihr Pelzmantel ist so ein Beispiel. Sie wußte, daß Leonard und Marty in finanziellen Schwierigkeiten steckten, aber sie mußte diesen Mantel jedesmal tragen, wenn sie zum Bridgespiel rüberging. Für Marty war das natürlich ein rotes Tuch.«
    »Ist das derselbe Mantel, den sie trug, als Sie sie das letzte Mal sahen?«
    »Ja, genau. Ein Zwölftausend-Dollar-Luchsfellmantel mit passendem Hut.«
    »Toll«, bemerkte ich.
    »Oh ja, er ist wunderschön. Ich würde meine Eckzähne für solch einen Mantel hergeben.«
    »Fällt Ihnen sonst noch etwas zu ihrer Abreise an jenem Abend ein?«
    »Kann ich nicht sagen. Sie trug irgendwelches Gepäck — ich nehme an, einen fahrbaren Koffer — , und der Taxifahrer brachte den Rest herunter.«
    »Können Sie sich an das Taxiunternehmen erinnern?«
    »Ich habe damals wirklich nicht so genau hingesehen, aber normalerweise bestellte sie einen Wagen von City Cab oder Green Stripe, manchmal auch Tip Top, obwohl sie die nicht besonders mochte. Ich wollte, ich könnte Ihnen mehr sagen. Ich meine, wenn sie hier losgefahren ist, um nach Florida zu fliegen, dort aber nie angekommen ist, wo ist sie geblieben?«
    »Genau das will ich herausfinden«, erwiderte ich.
    Ich schenkte Tillie ein beruhigend gemeintes Lächeln, aber ich fühlte mich nicht wohl.
    Ich fuhr zurück zum Büro und überschlug kurz die Kosten, die mir bisher entstanden waren; ungefähr fünfundsiebzig Dollar für die Zeit bei Tillie und die Zeit, die für die Untersuchung von Elaines Apartment draufgegangen war, plus der Zeit in der Bücherei und am Telefon und die Ferngesprächsgebühren. Ich kannte Privatdetektive, die ihre gesamten Nachforschungen vom Telefon aus führten, aber ich finde das nicht sehr klug. Solange man sich mit den Leuten nicht von Angesicht zu Angesicht beschäftigt, gibt es zu viele Dinge, die man übersehen kann und zu viele Möglichkeiten, getäuscht zu werden.
    Ich rief ein Reisebüro an und buchte einen Flug nach Miami und zurück. Er kostete mich neunundneunzig Dollar einfach, dafür mußte ich mitten in der Nacht fliegen und durfte weder essen und trinken noch zum Klo gehen. Außerdem ließ ich mir am anderen Ende einen billigen Mietwagen reservieren.
    Mein Flugzeug würde erst in etlichen Stunden starten, also fuhr ich nach Hause, absolvierte eine Jogging-Runde von drei Meilen und steckte mir dann Zahnbürste und Zahnpasta in die Tasche und nannte das »Packen«. Später würde ich Elaines Reisebüro ausfindig machen müssen, um in Erfahrung zu bringen, welche Fluggesellschaft sie in Anspruch genommen hatte, und ob sie vielleicht einen Weiterflug nach Mexiko oder in die Karibik gebucht hatte. In der Zwischenzeit hoffte ich, Elaines Freundin in Florida zu erwischen, bevor sie sich aus dem Staub gemacht und mir meine einzige Verbindung zu Elaines Aufenthaltsort genommen hatte.

3

    Es war noch dunkel, als das Flugzeug um 4.45 Uhr in Miami landete. Um diese Zeit war der Flughafen nur wenig bevölkert, und die Beleuchtung war gedämpft wie in einer Leichenhalle. In der Gepäckaufbewahrungszone waren Haufen verlassener Koffer in dunklen Schränken mit Glastüren aufeinandergestapelt. Alle Flughafengeschäfte waren geschlossen. Hier und da schliefen Reisende auf den harten Plastikstühlen, den Kopf auf vollgestopfte Baumwollschlafsäcke gebettet, verbeulte Jacken über die Schultern gelegt. Über Lautsprecher wurde ein Passagier zum Informationsschalter gerufen, aber der Name war so verzerrt, daß niemand reagieren würde.
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