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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren
Autoren: Sue Grafton
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ich ahnte, daß ihr Lächeln plötzlich erloschen war. »Oh, das gefällt mir aber nicht. Das ist ein schrecklicher Gedanke.«
    »Das übrige erzähle ich Ihnen, wenn wir uns sehen. Sobald es geht. Ich rufe vorher noch mal an, damit ich weiß, ob Sie zu Hause sind.«
    »Wir werden hier sein. Mir scheint, Sie kommen voran.«
    »Immer schneller«, sagte ich.
    Ihre Abschiedsgrüße waren verwirrt, und meine waren kurz.
    Ich holte meine Schreibmaschine heraus und brachte alles, was ich wußte, in einem ziemlich langen und ausführlichen Bericht zu Papier. Ein weiteres Stück des Puzzles hatte seinen Platz gefunden. An dem Abend, als der Verschlag aufgebrochen wurde, war es nicht Lyle, sondern Charlie gewesen, der den Brief unter Libbys Habseligkeiten deponiert hatte in der Hoffnung, daß ich ihn finden würde und daß er damit seine Geschichte von Laurence Fifes »Affäre« mit Libby Glass abstützen könnte. Womit wahrscheinlich auch der Schlüssel zu ihrer Wohnung erklärt war, den man an Laurences Schlüsselring im Büro gefunden hatte. Es wäre für Charlie nicht schwer gewesen, auch ihn zu deponieren. Ich tippte weiter, erschöpft zwar, aber fest entschlossen, alles aufzuschreiben. Im Hinterkopf dachte ich es mir immer wieder als Vorsichtsmaßnahme, als Versicherungspolice, aber ich wußte nicht genau, welche Art von Deckung ich brauchte. Vielleicht gar keine. Vielleicht brauche ich keinen Schutz, dachte ich. Ich sollte mich irren.

27

    Ich beendete meinen Bericht und schloß ihn in meine Schreibtischschublade. Ich ging hinunter zum Parkplatz, holte mein Auto und fuhr nach Norden, zu Charlies Haus an der Missile Avenue. Zwei Häuser hinter seinem war eines, das aus unerfindlichen Gründen »Seelenruh« hieß. Ich parkte davor und ging zu Fuß zurück. Charlies Haus war ein zweigeschossiges Gebäude mit einer Außenverkleidung aus gelb gestrichenen Schindeln, dunklen Schindeln auf dem Dach, einem Aussichtsfenster auf der Vorderseite und einer langen, schmalen Auffahrt links. Es war ein Haus, wie es als Leitmotiv in einer Fernsehfamilienserie erscheinen könnte, etwas für die beste Sendezeit um acht; alles wirkte ordentlich und heil und kinderfreundlich. Von seinem Wagen war auf der Auffahrt nichts zu sehen und auch nirgends etwas von Bewohnern. Ich ging vorsichtig die Auffahrt entlang, auf die Garage zu, und blickte im Gehen über die Schulter zurück. Da waren noch nicht einmal naseweise Nachbarn, die zu mir hinausgespäht hätten. Als ich die Garage erreichte, ging ich außen herum und machte die Hände hohl, so daß ich durch das Fenster schauen konnte. Sie war leer: eine Tischlerbank entlang der Rückwand, alte Gartenmöbel, Staub. Ich fragte mich, wessen schwarzer Wagen es wohl war und wieso die Polizei noch keine Spur davon entdeckt hatte. Wenn ich diese Lücke schließen konnte, dann hatte ich etwas in der Hand, um mit Con Dolan zu reden. Ich würde mich ohnehin mit ihm in Verbindung setzen, aber ich wollte etwas Konkretes.
    Ich ging die Einfahrt wieder hinauf zu meinem Wagen und setzte mich, eine Lieblingsbeschäftigung von mir. Es wurde schon dunkel. Ich sah auf die Uhr. Es war Viertel vor sieben, und das rüttelte mich auf. Ich sehnte mich schrecklich nach einem Glas Wein und entschloß mich, raus zu Nikki zu fahren. Sie hatte gesagt, sie wäre zu Hause. Ich wendete verkehrswidrig und fuhr die Missile wieder hinunter zum Freeway, Richtung Norden. Am La Cuesta bog ich ab und näherte mich dem Strand über Horton Ravine, ein weit auseinandergezogenes Landstück, das als »Wohnungsbauprojekt für gehobene Ansprüche« bekannt ist. Horton Ravine gehörte einmal einer einzigen Familie, ist jetzt aber aufgeteilt in Millionen-Dollar-Parzellen, um dem Siedlungsbedarf der Neureichen entgegenzukommen. In Santa Teresa gilt Montebello als das »alte« Geld, Horton Ravine als das »neue« — aber keiner nimmt die Unterscheidung wirklich ernst. Reich ist reich, und wir wissen alle, was das heißt. Die Straßen durch Horton Ravine sind schmal und gewunden, überschattet von Bäumen, und der einzige Unterschied, den ich entdecken konnte, war, daß hier einige Häuser von der Straße aus zu sehen sind, während man sie in Montebello nicht sieht. Ich kam am Ocean Way heraus und schwenkte nach links. Die Straße verlief jetzt parallel zur Steilküste, und eine Reihe eleganter Grundstücke war in den Landstreifen eingebettet, der sich zwischen der Straße und den Klippen hinzog.
    Ich fuhr an John Powers’ Haus vorbei und
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