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Kinder

Kinder

Titel: Kinder
Autoren: Jürgen Seibold
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dem Kollegen das riskante
Vorhaben wieder auszureden. Also blieb nichts anderes übrig, als das Ganze
aufmerksam zu verfolgen und im Notfall dazwischenzufahren.
    Rosemarie Moeller sah mürrisch über die Festgesellschaft, die sich
im Hof versammelt hatte. Immer und immer wieder ließ sie ihren Blick über die
Köpfe schweifen, vom oberhalb der Treppe erhöht liegenden Hauseingang hatte sie
eine gute Sicht. Dann schien sie zu stutzen, musterte eine Gruppe von Eltern
etwas genauer – und beugte sich zu ihrem Mann hin, um ihm etwas ins Ohr zu
flüstern.
    Auch sein Blick ging daraufhin zu der Elterngruppe, und er wirkte
erschrocken. Frido Hässler sah in dieselbe Richtung, aber von seiner Position
aus konnte er die Gesichter der Eltern nicht erkennen.
    Kurz sprachen die Moellers miteinander, dann legte Rosemarie Moeller
ihrem Mann eine Hand auf den Unterarm und sah ihn fragend an, doch Franz
Moeller zuckte nur mit den Schultern.
    Rektor Wehling kam zum Ende seiner Rede, und Rainer
Pietsch überlegte fieberhaft, ob nun der richtige Moment gekommen sei. Doch da
gab Wehling Franz Moeller ein Zeichen. Der Lehrer nickte und kam zum Podium –
dabei sah es kurz so aus, als wolle Rosemarie Moeller ihren Mann aufhalten.
    »Meine Damen und Herren, liebe Kinder«, begann Franz Moeller, und
seine Stimme wurde von den Lautsprechern bis in den letzten Winkel des
Schulhofs getragen, »wir feiern heute unser Sommerfest – und haben damit auch
schon beinahe das Ende des Schuljahres erreicht. Für mich und meine Frau war es
ein wertvolles Jahr, da wir diese Schule, unsere neuen Kollegen und natürlich
Sie und Ihre Kinder kennenlernen durften.«
    Rainer Pietsch musste sich sehr beherrschen, nicht den Kopf zu
schütteln – Moeller hatte den Satz tatsächlich ohne jeden Anflug von Zynismus
ausgesprochen.
    »Ich möchte mich dafür bedanken, dass wir an dieser Schule von Ihnen
allen nach kurzen Anlaufschwierigkeiten so gut aufgenommen wurden. Und ich
hoffe, wir konnten Ihnen, den Eltern und unseren Kollegen, für Ihr Vertrauen
auch einiges zurückgeben. Manches ist schon jetzt an den Noten Ihrer Kinder
abzulesen, manches andere wird Ihren Kindern vielleicht erst in ein paar Jahren
zugute kommen, wenn Sie es gar nicht mehr unbedingt mit der Zeit hier an dieser
Schule in Verbindung bringen werden.«
    Er sah sich um und hatte vorwiegend positiv gestimmte Gesichter vor
sich, Eltern, die zustimmend nickten oder zumindest aufmerksam zuhörten.
    »Uns werden nun hier im Hof einige Aufführungen geboten, wofür ich
Ihnen gute Unterhaltung wünsche – aber zum Abschluss des eigentlichen Programms
möchte ich Sie trotz des schönen Wetters dann noch kurz in die Aula bitten, wo
meine Frau und ich Ihnen mit Hilfe Ihrer Kinder noch eine kleine Demonstration
dessen geben wollen, was Ihre Kinder ganz abgesehen vom Unterrichtsstoff in
diesem Jahr noch gelernt haben und wovon sie später einmal profitieren werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit – und bis später.«
    Franz Moeller nickte kurz in die Runde, dann gab er Rektor Wehling
die Hand und kehrte zurück auf seinen Platz.
    »Und du meinst, wir sollen es trotzdem durchziehen?«
    Rosemarie Moeller sah wieder zu den Eltern hin, die sie noch vom
Internat Cäcilienberg her kannte. Dass sie hier waren, konnte nichts Gutes
bedeuten – denn irgendjemand musste sie hierher eingeladen haben, und es war
nicht schwer zu erraten, dass sie und ihr Mann mit ihnen auf irgendeine Weise
konfrontiert werden sollten.
    »Ja«, sagte Franz Moeller. »Wir ziehen das durch – und falls wir
improvisieren müssen, gibt es noch eine andere Möglichkeit. Da würde es dann
nur noch nebenbei um das fiktive Feuer gehen, aber zur Not könnte das unsere
Flucht decken.«
    »Unsere Flucht?«
    »Schau, wenn die Cäcilienberg-Eltern zu Wort kommen, kann sich die
Stimmung durchaus gegen uns richten. Und dann können wir hier nichts mehr
ausrichten – dann müssten wir wieder anderswo von vorn anfangen.«
    Rosemarie Moeller seufzte.
    »Mein Gott, warum wird es einem so schwer gemacht, das Richtige zu
tun?«, sagte sie schließlich. »Und dann wieder eine andere Schule? Wieder neue
Schüler, neue Eltern, neue Kollegen?«
    Sie sah ihren Mann an.
    »Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir hierbleiben könnten.«
    »Das können wir wahrscheinlich auch«, beruhigte er sie. »Aber ich
will zur Sicherheit einen Plan B in der Tasche haben.«
    Und dieser Plan B bedeutete für Franz Moeller nicht zwingend den
Neustart an einer anderen
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