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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns
Autoren: Poul Anderson
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ebenfalls an Land zu bleiben, aber das wollten sie nicht. Sie küßten ihre Schwester und nahmen Abschied. Yria weinte leise und hoffnungslos, bis sie einschlief. Der Priester deckte sie zu und versuchte, auf der Bank noch ein bißchen zu schlafen.
    Am nächsten Tag und je weiter der Sommer fortschritt, war Yria besseren Mutes. Schließlich war sie ganz fröhlich. Agnetes Verwandte hielten sich von ihr fern und fürchteten sich zuzugeben, daß sie ihr Blut in sich trug. Aber Vater Knud sorgte so gut für sie, wie es seine mageren Mittel erlaubten. Er half, daß die anderen Halbblutkinder bei ihren regelmäßigen Treffen – schnell wurden sie zu kurzen Begegnungen – frischgefangene Fische mitbrachten. Für Yria war das Land so neu und wundervoll, wie sie selbst es für die Jugend des Dörfchens war. Es dauerte nicht lange, und sie war tagsüber der Mittelpunkt einer übermütigen Schar. Was die Arbeit anging, so wußte sie nichts über menschliche Pflichten, aber sie war willig zu lernen. Kirsten Pederstochter unterrichtete sie im Weben und meinte, sie könne ein ungewöhnliches Geschick erwerben.
    In der Zwischenzeit hatte der Priester einen jungen Mann nach Viborg geschickt und anfragen lassen, was mit dem Mädchen geschehen solle. Konnte ein Halbblut getauft werden? Er betete darum, dem möge so sein, denn andernfalls wußte er nicht, was aus dem armen, lieben Ding werden sollte. Der Bote war schon zwei Wochen weg; sie mußten im Bischofssitz sämtliche Bücher wälzen. Endlich kehrte er zurück, diesmal zu Pferde, begleitet von Wachen, einem klerikalen Famulus und dem Profos.
    Knud hatte Yria in der Christenlehre unterrichtet, und sie hatte ihm mit großen Augen und meistens schweigend zugehört. Jetzt prüft Erzdiakon Magnus sie im Pfarrhaus. »Glaubst du wahrhaftig an den einen Gott«, fuhr er sie an, »den Vater und den Sohn, der Unser Herr und Heiland Jesus Christus ist, und den Heiligen Geist, der von ihnen ausgeht?«
    Seine Strenge schüchterte Yria ein. »Ich verstehe es noch nicht so recht«, flüsterte sie, »aber ich glaube, guter Herr.«
    Nach weiterer Befragung teilte Magnus unter vier Augen Knud mit: »Es kann nichts schaden, sie zu taufen. Ein unvernünftiges Tier ist sie nicht, obwohl sie dringend weiterer sorgfältiger Unterweisung bedarf, bevor sie konfirmiert werden kann. Ist sie ein Köder des Teufels, wird das heilige Wasser sie von hinnen treiben; ist sie nichts weiter als seelenlos, wird Gott einen Weg finden, es uns wissen zu lassen.«
    Die Taufe wurde für den kommenden Sonntag nach der Messe angesetzt. Der Erzdiakon gab Yria ein weißes Kleid, das sie anziehen sollte, und wählte den Namen einer Heiligen für sie: Margrete. Ihre Furcht vor ihm verlor sich ein wenig, und sie stimmte zu, die Nacht vom Samstag zum Sonntag im Gebet zu verbringen. Am Freitag nach Sonnenuntergang drängte sie ihre Geschwister, zum Gottesdienst zu kommen – die Priester würden es sicher erlauben, weil sie auch sie zu gewinnen hofften –, und sie weinte, als Tauno, Eyjan und Kennin ihr die Bitte abschlugen.
    Und so kniete Yria an einem Morgen, als der Wind weiße Wolken über den Himmel jagte und die Wellen tanzten und glitzerten, vor den Bewohnern von Alsen in der Holzkirche unter dem Schiffsmodell, das im Mittelschiff aufgehängt war, während Christus über dem Altar hing. Vater Knud führte sie und die Paten durch das Ritual, schlug das Kreuz über ihr und verkündete voller Freude: »Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    Sie schrie auf. Ihre leichte Gestalt fiel in sich zusammen. Aus den
    Kirchenbänken waren das Zischen scharf eingezogenen Atems, ein paar Schreie und heisere Rufe zu hören. Der Priester bückte sich, vergaß seine Steifheit in seiner Hast und zog sie an sich. »Yria!« rief er. »Was fehlt dir?«
    Sie keuchte und blickte sich um, und in ihren Augen stand ein großes Nichtbegreifen. »Ich ... bin ... Margrete«, sagte sie. »Wer seid Ihr?« Profos Magnus ragte über ihnen auf. »Wer seid Ihr?«
    Knud wandte seine von Tränen überfließenden Augen dem Erzdiakon zu. »Bedeutet das, daß sie – daß sie tatsächlich seelenlos ist?«
    Magnus wies auf den Altar. »Margrete!« sprach er sie mit soviel Eisen in der Stimme an, daß das rauhe Fischervolk verstummte. »Sieh dahin! Wer ist das?«
    Ihr Blick folgte dem knotigen Finger. Sie erhob sich auf die Knie und schlug das Kreuz. »Das ist unser Herr und Heiland Jesus Christus«, antwortete sie
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