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Kinder des Monsuns

Kinder des Monsuns

Titel: Kinder des Monsuns
Autoren: David Jimenez
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lachend an dem Tag, als ich nach ihrer Glückspizza eine Siesta im Hotel einlegen musste.
    *
    Veasna erwartet mich wie immer am Flughafen. Es sind einige Jahre seit meinem letzten Besuch im Land vergangen, und vier, seit ich Vothy im Russenhospital kennen lernte. Auf dem Weg zum Hotel bringt mich Veasna auf den neusten Stand. Seine Mutter ist nach Hause zurückgekehrt, nachdem sie gewissenhaft fünf Jahre in der Zurückgezogenheit eines buddhistischen Klosters verbracht hatte, eine Zeit, die sie sich auferlegt hatte, nachdem sie den Ehemann mit einer viel jüngeren Geliebten überrascht hatte. Nach der Rückkehr aus ihrer Klausur hatte sie Veasna gebeten, die Tochter einer Freundin mit einer relativ bescheidenen Mitgift zu heiraten: 650 Dollar.
    »Nach dem Kummer, den sie wegen meines Vaters hatte, konnte ich es ihr nicht verwehren, für mich eine Ehefrau auszuwählen. Also habe ich ja gesagt. Jetzt habe ich Familie.«
    Alle zwei bis drei Monate steigen Veasna, seine Frau und sein |36| kürzlich geborener Sohn in das Taxi und fahren durch die Stadt, auf der Suche nach einem Haus. Sie mieten es, ziehen ein und warten verzweifelt auf die Ankunft der Ratten. Sie verstopfen die Löcher und legen Rattengift, doch Veasna hat den Verdacht, dass dieses für die Nager eine Leckerei ist, denn ständig vermehren sie sich weiter. Also kauft er mehr und noch mehr Rattengift, und der Bursche aus dem Geschäft verdient sich eine goldene Nase daran. Wenn sich die Ratten gar nicht mehr im Zaum halten lassen, steigen Veasna, seine Frau und das Kind wieder in den Wagen, fahren kreuz und quer durch die Stadt und suchen sich eine neue Bleibe.
    Es macht mich traurig zu sehen, wie alle Anstrengungen Veasnas, der Armut zu entfliehen, nichts fruchten. Man spürt erst die Erniedrigung des Scheiterns, wenn man im Innersten aufgehört hat, an die Aussicht auf Erfolg zu glauben. Erst wenn wir unseren Stolz und unsere Anstrengung einem Ziel gewidmet haben, das wir nie erreichen, spüren wir die Frustration, es nicht geschafft zu haben. Für einen Bauern, der nichts anderes kennt als das Landleben, dessen Erwartungen sich mit einer guten Ernte und einer Tochter erfüllen, die er vor dem 16. Lebensjahr vorteilhaft verheiraten kann, ist das Leben in einem Land wie Kambodscha immer hart, aber nie so schlimm wie für Veasna und Seinesgleichen.
    Er gehört zu jener Minderheit, die sich durch ungeheuren Arbeitseifer, enorme Intelligenz und ausgeprägten Unternehmergeist auszeichnet, durch alles, was ihn in einem Land der Möglichkeiten zu einem Erfolgsmenschen gemacht hätte. Doch dies ist das Land der Chancenlosigkeit, wo der persönliche Wert nichts zählt. Wer sich in Kambodscha um eine Stelle im Staatsdienst bewirbt, weiß, dass sie der Vetter eines anderen Staatsdieners bekommt. Die Posten, ob in Privatunternehmen oder in der Verwaltung, werden nach dem Verwandtschaftsverhältnis verteilt. Die Korruption hat sich so tief in das System gefressen und ist so akzeptiert, dass man die Dörfer, in denen die Mütter von Ministern wohnen, daran erkennt, dass die Straßen, die zu ihnen führen, asphaltiert sind.
    Der Vorletzte jedes Monats ist in Kambodscha der Tag der Briefumschläge |37| . Veasna muss einen dem Lehrer der Schule geben, in die sein Sohn geht, damit dieser nicht geschlagen wird; einen weiteren bekommt der Herr des Lichts, damit er Veasna Samstagabend nicht den Strom abstellt; und einer ist für die Flughafenwachen, damit sie Veasna durchlassen und er Kunden für sein Taxi finden kann. Auf dem Mao-Boulevard in der Nähe des Hotels Intercontinental werden wir von einer Polizeistreife angehalten, die den Wagen durchsuchen will.
    »Sie suchen illegale Waffen«, erklärt Veasna. »Wenn sie eine Pistole finden, verkaufen dieselben Polizisten sie auf dem Schwarzmarkt. Ihr früherer Besitzer braucht eine neue, geht auf den Schwarzmarkt, sucht hier und dort und sieht plötzlich eine, die ihm gefällt. Sie sieht ganz wie seine alte aus. ›Na so was‹, sagt er sich. ›Aber wenn es wirklich dieselbe ist, was macht sie dann hier?‹ Er kauft sie zurück, bis er mit seinem Wagen in die nächste Polizeikontrolle gerät…«
    Veasna hat die Gabe, das Chaos in seinem Land mit dem charakteristischen schwarzen Humor zu beschreiben, den er mit vielen Kambodschanern gemein hat. Dieser Humor ist, wie ich mit der Zeit begriffen habe, ein Antidot gegen die Verzweiflung. Doch der Veasna, der mich dieses Mal empfängt, ist nicht derselbe wie bei früheren
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