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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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Schulter stieß er die Tür auf und beförderte sie durch den engen, niedrigen Flur.
    »Wem denn?« wollte sie wissen. »He, ich bin doch nicht angezogen.« Sie hatte nur ihre Unterwäsche an, in der sie geschlafen hatte.
    Sie erhielt voraus Einblick ins Wohnzimmer der Hardys, und dort standen am Radio, die Gesichter erfüllt von begeisterter, nachgerade jugendlicher Freude, Stuart McConchie, die Hardys und mehrere Männer, die Mitarbeiter Mr. Hardys sein mußten.
    Aus dem Lautsprecher kam die Stimme, die sie in der vergangenen Nacht gehört hatten. Doch war es tatsächlich dieselbe Stimme? Sie lauschte, während Andrew Gill sich setzte und sie auf seinen Schoß nahm. »... und dann hat Jenny Linhart zu mir gesagt«, erzählte die Stimme. »ich sähe nach ihrer Meinung einem großen Pudel ähnlich. Ich glaube, das muß etwas damit zu tun gehabt haben, wie meine ältere Schwester mir damals immer die Haare schnitt. Ich sah anscheinend aus wie ein großer Pudel. Ich war deswegen nicht beleidigt. Das war tatsächlich nur eine Beobachtung von Jenny Linhart. Immerhin zeigte sie damit, daß sie mich beachtete. Und das ist doch dagegen, überhaupt nicht beachtet zu werden, eine echte Verbesserung, oder nicht?« Dann schwieg Dangerfield, als warte er auf eine Antwort.
    »Mit wem redet er?« fragte sie, noch immer verschlafen, nicht richtig wach. Und da begriff sie, was diese Stimme bedeutete. »Er lebt«, sagte sie. Und Hoppy war nicht mehr am Drücker. »Gottverdammt«, beschwerte sie sich laut, »könnte mir vielleicht mal jemand sagen, was passiert ist?!« Sie rutschte von Andrews Schoß, blieb mitten im Zimmer stehen, fröstelte; die Morgenluft war kühl.
    »Was passiert ist, wissen wir nicht«, sagte Ella Hardy. »Offenbar hat er im Laufe der Nacht irgendwie wieder alles unter seine Kontrolle gebracht. Wir hatten das Radio für alle Fälle nicht abgeschaltet, deshalb haben wir ihn sofort gehört. Jetzt ist nicht seine reguläre Sendezeit für unsere Gegend.«
    »Es hat den Anschein, als ob er mit einem Arzt spricht«, sagte Mr. Hardy. »Kann sein, mit einem Psychiater, der ihn behandelt.«
    »Du lieber Himmel«, entfuhr es Bonny, und sie bog sich vor Erheiterung. »Das kann doch wohl nicht wahr sein ... er läßt sich psychoanalysieren ...!« Aber wo steckt Hoppy? dachte sie gleichzeitig. Hat er etwa aufgegeben? K ann es deshalb gewesen sein, weil es ihn doch zuviel Anstrengung gekostet hat, über eine so große Entfernung hinweg auf etwas Einfluß zu nehmen, oder was? Hat er doch seine Grenzen, so wie jedes andere Lebewesen? Eilig kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück, um sich anzuziehen, lauschte noch unterwegs auf Dangerfields Stimme. Niemand achtete auf sie; alle interessierten sich nur für das Radio.
    Was für ein Einfall, dachte sie, daß diese Art von alter Hexerei ihm helfen könnte. Der bloße Gedanke daran kam ihr unerhört lustig vor; sie schlotterte vor Kälte und Heiterkeit, während sie sich das Hemd zuknöpfte. Dangerfield dort oben in seinem Satelliten auf einer Couch, plaudert aus seiner Kindheit ... O mein Gott, nicht zu fassen, dachte sie und hastete wieder zum Wohnzimmer, um alles hören zu können.
    Andrew kam ihr entgegen; sie trafen sich im Flur. »Wir kriegen ihn nicht mehr rein«, sagte er. »Der Empfang ist weg.«
    »Warum?« Ihre Heiterkeit verflog; sie war erschrocken.
    »Es war reines Glück, daß wir ihn überhaupt reinbekom
    men haben. Aber ich glaube, er ist wieder wohlauf.« »Ach, mir ist ganz mulmig«, sagte sie. »Und wenn nicht?«
    »Es ist aber so«, versicherte Andrew. Er legte seine großen Hände auf ihre Schultern. »Du hast ihn doch selbst gehört. Du hast ja gehört, wie seine Stimme geklungen hat.«
    »Dieser Psychoanalytiker«, sagte sie, »hat einen Orden erster Klasse verdient, wie ein Held.«
    »Ja, wahrhaftig«, bekräftigte Andrew feierlich. »Den Ordensstern Erster Klasse eines Helden der Psychoanalyse.« Er schwieg für einen Moment, hielt sie fest, bewahrte aber von ihr Abstand. »Entschuldige, daß ich dich einfach an mich gerissen und aus dem Bett gezerrt habe, aber ich dachte mir, daß du ihn hören möchtest.«
    »Ja, war auch richtig«, gab sie ihm recht.
    »Hältst du es noch für wichtig, daß wir weiterziehen? Nach Los Angeles?«
    »Nun ja«, sagte sie, »du hast hier Geschäftliches zu erledigen. Wir können zumindest noch für einige Zeit hier bleiben ... und abwarten, um zu sehen, wie's mit ihm wird.« Sie war nach wie vor beunruhigt, fürchtete
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