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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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schnell sich Geschichte entwickelt. In Dr. Bloodmoney umkreist ein einzelner Amerikaner die Erde für immer. Das ist offensichtlicher Unsinn; entweder werden es viele Amerikaner sein – beziehungsweise viele Russen –, oder überhaupt keine.
    Der wichtigste Einzelpunkt, in dem meine Erwartungen falsch waren, ist das Ende der Welt. Damals im Jahre 1964 habe ich jeden Tag damit gerechnet; ich habe deswegen dauernd auf die Uhr geschaut. Horace Gold, der damals das Magazin Galaxy herausgab, hat mich einmal gescholten, ich würde praktisch davon ausgehen, die ganze Welt könne schon in der nächsten Woche ausgelöscht werden. Das war bereits 1954. Ich habe tatsächlich erwartet, daß es bis spätestens 1964 dazu kommt. Nun, aber das waren einfach die Befürchtungen jener Zeit. Heute beschäftigen uns andere Sorgen. Unsere Probleme bestehen anscheinend daraus, wie wir bei einer solchen Inflation mit unseren Dollars noch unsere Schulden zahlen sollen, woher wir das Benzin für unsere Autos erhalten – also viel banalere Sorgen. Von weniger allumfassender Art.
    Sonderbarerweise sind das genau die Sorgen, die in Dr. Bloodmoney die Charaktere in ihrer Welt nach dem Dritten Weltkrieg beschäftigen. Autos werden von Pferden gezogen. Brillen sind selten und stehen hoch im Kurs. Einem Mann, der Zigaretten herstellt, begegnet man mit Hochachtung, wohin er auch ginge. Auch jemand, der etwas zu reparieren imstande ist, steht in höchstem Ansehen. Die Gesellschaft ist zurückgefallen, aber nicht auf eine so brutale Stufe der Primitivität, wie man es sich vorstellen könnte. Statt dessen ist sie in ihrer ganzen Natur wieder eher landwirtschaftlich geworden. Die Riesenstädte sind dahingegangen, und an ihrer Stelle existiert eine Art von Landleben, das durchaus nicht so schrecklich ist. Ich muß jedoch hinzufügen, daß es in keiner Beziehung irgendeiner heute tatsächlich existenten Welt ähnelt.
    Aber es hat natürlich bis jetzt auch noch kein Dritter Weltkrieg stattgefunden.
    Nach meiner Meinung ist dieser Roman ein außerordentlich von Hoffnung getragenes Buch. Es postuliert als Folge des nächsten Krieges keineswegs den Untergang der gesamten menschlichen Zivilisation. Es gibt noch Menschen, und sie finden sich irgendwie zurecht. Die Überlebenden sind mit ihrem Dasein einigermaßen zufrieden. Interessant jedoch sind die hintergründigen Veränderungen des relativen Einflusses der Überlebenden. Man nehme beispielsweise Hoppy Harrington, der weder Arme noch Beine hat. Was seine Machtstellung angeht, ist Hoppy vor dem Atomkrieg von geringer Bedeutung: Er ist froh, überhaupt irgendeine Arbeit annehmen zu dürfen. Doch in der Nachkriegswelt verhält es sich ganz anders. Hoppy vergrößert seine Macht mit der Zeit Zug um Zug, bis er schließlich sogar für einen Mann zur Bedrohung wird, der sich nicht auf der Oberfläche unseres Planeten befindet. Hoppy steigt zu einem Halbgott auf, und obendrein einem reichlich schwierigen. An sich ist er nicht schlecht im herkömmlichen Sinn – er ist ein Beispiel für den Mißbrauch von Macht: von Schlechtem, das aus dem Besitz von Macht resultiert. Nicht etwa ist Hoppy schlecht, sondern es ist schlecht, daß er Macht hat.
    In seinem Satelliten wird Walt Dangerfield von einem Mann, der einer zersplitterten Nachkriegsgesellschaft Beistand leistet, ihr Einheit und Kraft vermittelt, ihre Moral hebt, zu einem Mann, der verzweifelt der Hilfe durch dieselbe Gesellschaft bedarf, einem Menschen, dessen Kräfte mit jedem Tag mehr schwinden. Er ist eine Symbolgestalt der Vereinsamung, dem Schrecken vieler, die unten auf der Erde leben, die Vereinsamung sowie den Verlust der Dinge und Werte fürchten, aus denen ihre Welt früher einmal bestanden hat. Im Laufe der Zeit muß Walt Dangerfield Kraft von jenen drunten auf der Erdoberfläche beziehen, statt ihnen Kraft geben zu können. Und in das Vakuum, das währenddessen entsteht, drängt sich Hoppy Harrington, der das Ungeheuer in uns versinnbildlicht: die Person, die voller Gier ist, nicht nach Nahrung, sondern Gier nach der Möglichkeit, Herrschaft und Zwang über andere Menschen auszuüben. Dieser Drang in Hoppy ist eine Konsequenz seiner körperlichen Benachteiligung. Er findet darin seine Kompensation dessen, was ihm von Geburt an fehlt. Hoppy ist unvollständig, und er will sich auf Kosten der gesamten Welt vervollständigen; er will sie psychisch verschlingen.

    Der Leser findet in Dr. Bloodmoney die Erwähnung eines im Jahre 1972 durchgeführten
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