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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust
Autoren: Philip K. Dick
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sagte Stockstill. »Dafür daß du's für dich behältst.« Er schaltete erneut das Mikrofon ein. Der Phoko öffnete die Tür und fuhr nach draußen, auf den Pfad hinaus; doch nach kurzer Strecke stoppte das Mobil plötzlich, und der Phoko blickte sich unentschlossen um. »Geh nur und sieh zu, daß du deine Schwester findest«, rief Stockstill ihm zu. »Ich bin sicher, daß es ihr viel bedeuten wird.« Als er das nächste Mal den Blick hob, war der Phoko fort. Das Mobil war nirgends mehr zu sehen. »Walt Dangerfield«, sprach Stockstill ins Mikrofon, »ich werde hier vor dem Apparat sitzen und versuchen, Sie zu erreichen, bis Sie mir entweder antworten oder ich davon überzeugt sein kann, daß Sie tot sind. Ich behaupte nicht, daß bei Ihnen keine echte körperliche Erkrankung vorliegt, aber ich bleibe bei meiner Ansicht, daß zumindest zum Teil Ihre psychische Situation die Ursache dieser Erkrankung ist, die in mancher Hinsicht, das gebe ich zu, bestimmt eine ernstzunehmende Natur hat. Können Sie sich dieser Einschätzung nicht anschließen? Und nach dem, was Sie durchgemacht haben, als Ihnen die Kontrolle über den Satelliten so mir nichts, dir nichts entwunden worden ist ...«
    Aus dem Lautsprecher meldete sich in lakonischem Tonfall eine ferne Stimme. »Na schön, Stockstill. Von mir aus wagen wir's mal mit Ihrer freien Assoziation. Und wenn aus keinem anderen Grund, als um Ihnen zu beweisen, daß Sie sich irren und ich in der Tat verheerend schwer körperlich krank bin.«
    Dr. Stockstill seufzte; seine Haltung lockerte sich. »Höchste Zeit. Sie haben mich von Anfang an empfangen, nicht wahr?«
    »Ja, teurer Freund«, bestätigte Dangerfield. »Ich war neugierig, ich wollte sehen, wie lange Sie weiterquasseln würden. Anscheinend sind Sie dazu entschlossen, in alle Ewigkeit auf mich einzureden. Burschen Ihres Schlages sind hartnäckig, wenn man ihnen schon sonst nicht viel nachsagen kann.«
    Stockstill lehnte sich zurück und entzündete zittrig eine Spezial Deluxe Gold. »Ist es möglich«, fragte er nach, »daß Sie
    sich hinlegen und es sich bequem machen?«
    »Ich liege längst«, erwiderte Dangerfield gereizt. »Ich liege schon seit fünf Tagen flach.«
    »Und wenn möglich, sollten Sie vollständig passiv bleiben. Ganz von allem losgelöst.«
    »Wie ein Wal«, sagte Dangerfield. »Einfach in den Fluten des Meeres treiben lassen ... Richtig? So, soll ich mich nun als erstes über kindliche Inzestneigungen ausschleimen? Warten Sie mal ... Ich glaube, ich sehe meine Mutter vor mir, ich sehe sie vor ihrem Ankleidetisch sitzen und sich die Haare kämmen. Sie ist sehr schön. Nein, halt, entschuldigen Sie, ich habe mich getäuscht. Das ist aus einem Film, ich sehe Norma Shearer. Das ist 'ne Erinnerung an einen Spätfilm, den ich mal im TV gesehen habe.« Er lachte matt auf.
    »Besaß Ihre Mutter denn eine gewisse Ähnlichkeit mit Norma Shearer?« hakte Stockstill ein; mittlerweile hatte er Bleistift und Papier gezückt und fertigte sich Notizen an.
    »Eher mit Betty Grable, falls Sie sich an sie erinnern«, sagte Dangerfield. »Aber das war wahrscheinlich vor Ihrer Zeit. Wissen Sie, ich bin ein ziemlicher alter Knacker. Fast tausend Jahre alt ... Wenn man hier oben allein ist, altert man schneller.«
    »Sprechen Sie ganz einfach ruhig immer weiter«, bat Stockstill. »Sagen Sie alles, was Ihnen gerade so einfällt. Zwingen Sie sich zu nichts, lassen Sie alles von selber kommen.«
    »Statt der Welt aus den großen klassischen Werken vorzulesen, könnte ich genausogut freie Assoziationen zum Thema kindliche Traumatie in der Analphase zum besten geben, was?« meinte Dangerfield. »Wäre vielleicht nicht schlecht, mal herauszufinden, ob die Menschheit daran auch soviel Interesse hat. Ich persönlich jedenfalls finde so was ziemlich faszinierend.«
    Wider Willen lachte Stockstill. »Sie machen einen menschlichen Eindruck auf mich«, sagte Dangerfield; seine Stimme klang auf einmal, als wäre er von seinem Gesprächspartner recht angetan. »Das finde ich gut. Es spricht für Sie.« Er lachte sein altbekanntes Lachen. »Wir zwei haben etwas gemeinsam, wir halten das, was wir hier machen, beide für reichlich lustig.«
    »Es ist mein Wunsch«, sagte Stockstill, der sich ein wenig über die letzte Äußerung ärgerte, »Ihnen Beistand zu leisten.«
    »Ach, zum Donnerwetter«, entgegnete die ferne, leise Stimme. »Ich bin es, der Ihnen Beistand leistet, Doktor. Tief drunten in den unbewußten Schichten Ihres Geistes sind
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