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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht
Autoren: Dan Simmons
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hätte Kate nichts ausgemacht, eine Zeitlang über diesen Wolken zu bleiben. Sie wiegte das Baby, gurrte ganz leise und sah zum Fenster hinaus, als sie in den Horizontalflug übergingen und Richtung Nordwesten flogen.
    »Ich habe den Rückenwind, den wir brauchen«, sagte O'Rourke. »Und ich bin ziemlich sicher, daß das NavStar-System korrekt funktioniert. Wir werden einen Teil der Strecke dem Lauf der Donau folgen.«
    Kate nickte zerstreut. Sie hatte gerade festgestellt, wie hell die Sterne am mondlosen Himmel strahlten - so hell, daß sie die Oberseite der Wolken in einen milchigen Ozean subtiler Weißtöne verwandelten.
    O'Rourke hielt den Steuerknüppel jetzt mit der linken Hand und drehte mit der rechten an der Skala des Funkgeräts. Als er den Kanal gefunden hatte, den er wollte, streckte sie den Arm aus und ergriff zärtlich seine Hand.
    Wortlos und händchenhaltend flogen sie unter dem Baldachin der Sterne nach Westen.

Epilog
     
    Als sie 1932 mein Grab auf der Insel Şnagov öffneten , stellten sie fest, daß es leer war. Im Winter des Jahres 1476 hatte ich den Thron von Transsilvanien für kurze Zeit zurückerobert, aber meine Feinde waren Legion, und sie gaben ihre Bemühungen nicht auf, bis ich tot war.
    In jenem Winter wurde ich, von za hlenmäßig überlegenen Feinden umzingelt, von denen, die meinen Kopf wollten, in die Sümpfe bei Şnagov zurückgetrieben. Statt meines Kopfes fanden sie dort in den Sümpfen meinen geköpften und verstümmelten Leichnam. Sie identifizierten mich anhand meiner kö niglichen Kleidung und des Siegelrings mit dem Zeichen des Ordens der Drachen an meinem Finger.
    Ich hatte nur einen getreuen Bojaren auf meiner Flucht in die Sümpfe mitgenommen. Dieser war treu, aber nicht besonders klug. Er hatte ungefähr meine Größe und Figur.
    Es war das erste Mal, daß ich Transsilvanien mit einem meiner Söhne verließ. Es sollte nicht das letzte Mal sein.
     
    Ich muß zugeben, ich war nicht sicher, ob ich bis zum Ende in der Zitadelle bleiben würde. Am Morgen, als sie mir die schwerfälligen Gewänder anzogen und mit der Maschine nach Süden flogen, beschloß ich, daß ich bleiben würde. Ich war sehr müde. Wenn mein Körper nicht freiwillig sterben wollte, würde ich ihm auf andere Weise Frieden geben.
    Aber als die Frau auftauchte, gefiel mir die Ironie der Situation. Ich vermutete, daß der junge Lucian seinen Befehlen zuwider gehandelt und eingegriffen hatte, um sie zu retten. Ich hatte es halb erwartet. Manchmal ist es am besten, wenn man das Schicksal die letzte Karte ausspielen läßt.
    Ich hatte Lucian nur die beiden Male getroffen, als ich ihn in die Vereinigten Staaten brachte, damit er seine Anweisungen bekam, aber ich werde ihn nicht vergessen. Zuerst weigerte sich der Junge zu glauben, daß er einer meiner Söhne war, aber ich zeigte ihm Fotos von seiner Mutter, die selbstverständlich aufgenommen wurden, bevor sie vor mir floh und in ihre Heimat zurückkehrte. Ich zeigte Lucian die Dokumente, die bewiesen, daß es Radu Fortuna war, der seine leibliche Mutter getötet und ihn in ein Waisenhaus gebracht hatte. Ich sagte ihm, er habe großes Glück gehabt, da die meisten reinen Strigoi -Paare ihre normalen Kinder töteten.
    Lucians Eifer war ausgesprochen dienlich. Er trat dem Orden des Drachen bei. Er zweifelte nie an meinen Motiven, die Familie zu säubern, indem wir die dekadenten Zweige ausrotteten. Er verstand meine aufrichtigen Motive, eine wissenschaftliche Lösung für die Krankheit der Familie zu finden.
    Was auch ein Grund gewesen sein mag, weshalb ich nicht bis zum letzten Akt blieb. Am Morgen der Zeremo nie hatte ich mir selbst das Serum injiziert, das die Ärztin von so weit her gebracht und schließlich doch in Sighişoara verloren hatte. Am Abend konnte ich die Veränderungen bereits spüren. Es war wie das Sakrament, aber ohne die hormonellen Amokläufe, di e mich im Lauf der Jahrhunderte so sehr ermüdet hatten. Als diese alberne Frau sich über die Brustwehr unserer Zitadelle zog, fühlte ich mich Jahrhunderte jünger. Die lang empfundene Abscheu vor dem, was Radu Fortuna und seinesgleichen meiner Familie angetan hatten - ganz zu schweigen von den Menschen meiner Nation -, brannte in meinen Eingeweiden wie Flammen reinsten Zorns, wie ich ihn seit vielen Jahren nicht mehr empfunden hatte.
    Daher beschloß ich zuletzt, doch nicht bis zum Ende zu bleiben.
    Die Dobrins schleusten mich durch die Menge zu dem geheimen Ausgang im Keller des Hauptsaals. Der
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