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Kinder der Apokalypse

Kinder der Apokalypse

Titel: Kinder der Apokalypse
Autoren: Terry Brooks
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Selbst, als die Luft schon so verschmutzt und das Wasser so verdorben gewesen war, dass man kaum mehr atmen oder trinken konnte, hatte es noch niemand geglaubt. Sie hatten es erst zu glauben begonnen, als die ersten Atomwaffen abgeschossen und ganze Städte im Nu ausgelöscht worden waren. Sie hatten es erst zu glauben begonnen, als Regierungen zusammengebrochen oder gestürzt worden waren, als chemische Kriegsführung ganze Bevölkerungen beinahe ausgelöscht hatte. Dann hatten sie es immerhin so weit geglaubt, dass sie begannen, die Überreste ihrer Städte in ummauerte Anwesen zu verwandeln, dass sie begannen, sich auf eine Belagerungsmentalität zurückzuziehen, an der sich seit dreißig Jahren nichts geändert hatte.
    Natürlich war es noch schlimmer geworden. Als die Lebensmittel und das Wasser ausgingen, hing das Überleben davon ab, dass darüber entschieden wurde, welche Vorräte unangetastet blieben, und davon, dass neue angelegt wurden. Aber nur. wenige wussten, wie sich in einer vergifteten und verseuchten Welt, in der einen sogar das Erdreich töten konnte, Lebensmittel beschaffen ließen. Man hatte ein gewisses Widerstreben entwickelt, mit denen zu teilen, die weniger glücklich dran waren, und die Lager entwickelten sich zu Symbolen von Tyrannei und Egoismus. Ihre Bewohner waren durchaus privilegiert, waren weniger bedroht von Hunger, Durst und Seuchen. Jene draußen, von denen einige bereits begonnen hatten, sich zu verändern, weil ihre Körper sich an die Gifte und die Krankheiten anpassten, wurden schon allein deshalb als Feinde betrachtet, weil sie sich von allen anderen unterschieden.
    »Freaks« nannten die gewöhnlichen Menschen sie. Die Straßenkinder hatten ihnen andere Namen gegeben – Echsen, Krächzer, Spinnen, Maulwürfe. Mutanten. Abscheulichkeiten. Und es gab noch schlimmere Namen. Viel stärker den Strahlen und Chemikalien ausgesetzt, waren sie die Ungeheuer ihres Zeitalters, verbannt in das verwüstete Land vor den Mauern der Lager und ihrem Schicksal überlassen.
    Logan Tom spähte über die Ebenen von Indiana, griff nach der Zündung und ließ den Motor an. Die Maschine begann zu schnurren, und er spürte das Surren der metallenen Abdeckung unter seinem Sitz. Einen Augenblick später legte er einen Gang ein und lenkte das Fahrzeug unter den Bäumen hervor in westlicher Richtung auf die von Rissen überzogene Straße.
    Die wahren Feinde waren die Einst-Menschen. Menschen, die nicht von Strahlung und Chemikalien geschädigt, sondern von falschen Versprechungen und Lügen verführt worden waren, die sich in etwa so anhörten: »Wollt ihr wissen, was ihr zum Überleben braucht? Ihr müsst bereit sein zu tun, was notwendig ist. Die Welt hat immer den Stärksten gehört. Die Schwachen hätten sie niemals erben dürfen. Ihr entscheidet, was ihr mit diesem Leben anfangen wollt. Durch eure Entscheidung seid ihr entweder mit uns oder gegen uns. Also entscheidet euch.«
    Dämonen hatten solche Lügen und falschen Versprechungen natürlich schon seit Jahrhunderten von sich gegeben. Aber jene, denen die Einflüsterungen der Dämonen galten, hörten jetzt bereitwilliger hin. Die Welt war nach der Vernichtung der Zivilisation ein primitiver Ort, man lebte entweder in den Lagern oder außerhalb davon. Die draußen glaubten, dass die drinnen schwach und ängstlich seien, und instinktiv verstanden sie deren Schwäche und Angst. Sie entstammten den Überresten zerschlagener Armeen und versprengter Einheiten von Gesetzeshütern, erfolglosen Milizen und paramilitärischen Organisationen, einer Kultur bestehend aus Waffen und Kampf, einer Haltung, die Hass, Misstrauen und gnadenlose Entschlossenheit belohnte. Sobald sie die Propaganda der Dämonen akzeptierten, verfielen sie schnell dem finstersten Wahnsinn. Sie veränderten sich erst gefühlsmäßig und psychisch, dann auch geistig und körperlich. Schicht um Schicht streiften sie ihre menschliche Haut ab und nahmen das Aussehen und Empfinden von Ungeheuern an.
    Äußerlich wirkten sie immer noch überwiegend menschlich – wenn man einmal von ihren ausdruckslosen, toten Augen und ihren leeren Mienen absah. Innerlich waren sie etwas vollkommen anderes geworden, ihre Menschlichkeit ausgelöscht, ihre Identität erneuert. Sie waren gierig, bestialisch und wollten alles töten, was sich bewegte.
    Sie waren die Einst-Menschen. Logan Tom kannte diese Geschöpfe genau. Er hatte gute Männer gesehen, die sich verändert hatten, um zu solchen Wesen zu werden.
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