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Kinder der Apokalypse

Kinder der Apokalypse

Titel: Kinder der Apokalypse
Autoren: Terry Brooks
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noch nie funktionierende Straßenlampen gesehen, keiner von ihnen hatte das. Panther behauptete, es gäbe Lichter in San Francisco, aber Hawk war sich sicher, dass er das nur erfunden hatte. Die Kraftwerke, die Strom lieferten, hatten schon vor seiner Geburt nicht mehr funktioniert, und er war der Älteste von ihnen, wenn man von Owl einmal absah. Elektrizität war ein Luxus, den sich nur wenige außerhalb der Lager leisten konnten, wo es viele Solargeneratoren gab. Also benutzten sie vor allem Kerzen und Feuer und ein paar Glühstäbe.
    Sie blieben in der Straßenmitte, hielten sich von den dunklen Gebäudeöffnungen zu beiden Seiten fern und nahmen die Flügel-T-Formation ein, die Hawk bevorzugte. Hawk ging an der Spitze, Panther und Bear bildeten die Flügelspitzen, und die beiden Mädchen, Candle und River, schleppten in der Mitte in straff zugeschnürten Säcken ihre Sachen. Owl hatte in einem Buch von der Flügel-T-Formation gelesen und Hawk erzählt, wie sie funktionierte. Hawk konnte lesen, wenn auch nicht besonders gut. Keiner von ihnen war besonders gut darin, erst recht nicht die Kleinsten. Owl konnte richtig gut lesen. Sie hatte es im Lager gelernt, bevor sie es verlassen und sich ihnen angeschlossen hatte. Sie versuchte es ihnen immer beizubringen, aber meistens zogen die anderen es vor, dass sie ihnen vorlas. Sie waren nicht sehr geduldig, und ihre Pflichten als Mitglieder der Ghosts nahmen den größten Teil ihrer Zeit in Anspruch. Lesen war für das Überleben nicht notwendig, sagten sie immer wieder.
    Dabei war es das. Sogar Hawk wusste das.
    Über ihnen zogen sich wogende Wolkenberge am Himmel zusammen, die immer finsterer wurden, während die Ghosts auf den Pioneer Square hinausschritten und weiter zum Hammering Man. Bald fiel weicher, ständiger Nieselregen und verwandelte den Beton der Straßen und Gebäude in ein glitzerndes Schiefergrau. Der Regen fühlte sich für Hawk sauber und erfrischend an, und er reckte sein eckiges Gesicht dem kühlenden Nass entgegen. Manchmal wünschte er sich, dass er wieder schwimmen gehen könnte, wie er es als kleiner Junge in Oregon immer getan hatte. Aber man konnte dem Wasser nicht mehr trauen. Man konnte sich nicht sicher sein, was darin lauerte, und wenn etwas Falsches in den Körper gelangte, starb man. Wenigstens hatten sie den Regen, was die restliche Welt so gut wie nie von sich behaupten konnte.
    Nicht, dass er viel von der Welt gesehen hätte. Mit achtzehn hatte er erst an zwei Orten gelebt – in Oregon, bis er fünf gewesen war, und seitdem in Seattle. Aber die Ghosts hatten ein Radio, dem sie lauschen konnten, und manchmal erzählte es ihnen Geschichten. Heutzutage nicht mehr so oft, weil die Sender einer nach dem anderen ausfielen. Von den Heerscharen der Einst-Menschen überrannt, nahm er an.
    Einst-Menschen. Wahnsinnige!
    Manchmal erfuhren sie auch etwas von anderen Straßenkindern. Wenn ein neues Kind auftauchte, kam es gewöhnlich aus einer anderen Gegend des Landes, schloss sich einem der Stämme an und versorgte sie mit frischen Neuigkeiten. Aber egal woher sie kamen, ihre Geschichten ähnelten einander sehr. Alle saßen sie im gleichen Boot und versuchten zu überleben. Alle wurden von den gleichen Gefahren bedroht, und man konnte sich lediglich entscheiden, wie man leben wollte: entweder wie ein gefangenes Tier in den Lagern oder wie eine Beute draußen auf den Straßen.
    Oder man lebte, wie die Ghosts, unter der Erde und versuchte sich von allem fernzuhalten.
    Owl kannte die Geschichte, die der unterirdischen Stadt zugrunde lag. Sie hatte in einem Buch darüber gelesen. Vor langer Zeit war das alte Seattle niedergebrannt, und die Menschen hatten es begraben und auf seinen Überresten eine neue Stadt errichtet. Die alte Stadt war ignoriert worden, bis es teilweise für unterirdische Touren wieder erschlossen worden war. Nach den Großen Kriegen und der Zerstörung der neuen Stadt war es dann wieder vollkommen in Vergessenheit geraten.
    Aber Hawk hatte es neu entdeckt, und nun gehörte es den Ghosts. Nun ja, wenigstens größtenteils. Da unten gab es noch andere Wesen, wenn auch keine weiteren Straßenkinder, denn die anderen Straßenkinder respektierten ihr Territorium. Es waren Freaks der unterschiedlichsten Art. Vorwiegend Echsen, Maulwürfe und Spinnen – nicht von der gefährlichen Sorte, obwohl man sie seiner Meinung nach wohl alle für gefährlich halten konnte. Doch diese Mutanten ignorierten sie, hielten sich von ihrem
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