Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Grals

Kind des Grals

Titel: Kind des Grals
Autoren: Vampira VA
Vom Netzwerk:
für einen dummen Scherz. Doch fast zeitgleich seufzte Jada verklärt, krallte ihre Finger in die Lehne des Vordersitzes und begann wie Espenlaub zu zittern.
    Bevor Landru sie zur Rede stellen konnte, bemerkte er, daß sämtliche Archonten ähnliche Symptome zeigten. Und dann verschwand der Bus auch schon in der widernatürlichen Nebelbank, die in glühender Sonne aufgetaucht war, in einer Landschaft, die kaum genug Feuchtigkeit besaß, um die Gräser, die den Boden wie schütteres Haar bedeckten, am Leben zu erhalten!
    Von Anfang an war klar, daß es sich um ein magisches Phänomen handelte. Und so war Landru wenig überrascht, als aus dem wabernden Weiß heraus, das die Buskabine wie Rauch füllte und an den Körpern der Archonten wie mit Zungen hochleckte, die vertraute Stimme Gabriels wisperte: »Du hast es also geschafft. Aber ich habe auch nie daran gezweifelt.«
    Ich schon, dachte Landru, als Gabriel ihn indirekt daran erinnerte, daß das entartete Siegel im Weißen Tempel ihn beinahe umgebracht hätte.
    Und während der Bus weiter das wabernde Weiß durchpflügte, erreichte Landru ein Ruf aus anderem Mund: »Geliebter!«
    »Nona?«
    »Liebe muß etwas Wunderbares sein«, raunzte Gabriel. »Zeit, euch wieder zusammenzubringen.«
    Dann fühlte sich Landru von einer Titanenfaust erfaßt - ZZZUU-UWWW! -, und die tagelange Reise durch Hitze und Staub hatte ihr abruptes Ende gefunden.
    »Wo bin ich?« fragte er ins Halbdunkel eines Zimmers hinein, in dem es nach Fäulnis und Verwesung stank.
    »In Jerusalem«, sagte Nona, ehe sie ihm völlig aufgelöst in die Arme fiel. »Nah bei deinen Mördern ...«
    Und dann berichtete sie Dinge, die Landrus Erleichterung, der Gesellschaft der Albinos entrückt zu sein, rasch und nachhaltig wieder dämpfte.
    *
    Lilith fand kaum noch Schlaf in dem Haus, in dem sie zwei Kinder für ein sinnloses Experiment geopfert hatte. Rahel erinnerte sie täglich an das Unverzeihliche. Denn selbst im Tod prägte das Mädchen weiterhin das Leben, das Lilith seit der mißglückten Taufe an Anums Seite führte.
    Rahel lag nicht mehr an derselben Stelle, an der sie nach dem Blut-trunk hingesunken war. Aber im Gegensatz zu ihrem Bruder war sie immer noch da. Anum hatte sie auf ein Sofa gebettet, wo sie wie schlafend lag. Aber ihr Herz schlug definitiv nicht mehr!
    Wie konnte Anum glauben, daß sich daran noch einmal etwas ändern würde - nach einer knappen Woche?
    Manchmal durchstreifte Lilith stundenlang das Haus der Chaims, nur um nicht den Raum betreten zu müssen, in dem Anum die Totenwache hielt.
    Das tat er tatsächlich: Er saß neben Rahel auf dem Sofa und war keinem Argument zugänglich, mit dem Lilith ihn von der Sinnlosigkeit seiner Geduldsprobe überzeugen wollte. Sie selbst wäre lieber heute als morgen vom Ort ihres Verbrechens geflohen.
    Meinetwegen nach New York, ganz egal wohin, nur weg, dachte sie.
    Seitdem Anum sie überraschend nach der amerikanischen Metropole befragt hatte, war die Sprache nicht mehr darauf zurückgebracht worden. Nicht einmal, was ihn so sehr an dem Stadtmoloch interessierte, hatte Anum preisgegeben. Irgendwann schien er etwas über New York als Schmelztiegel unterschiedlicher Nationalitäten aufgeschnappt zu haben, vielleicht als er losgezogen war, um den damals noch verlorenen Lilienkelch zurückzuerringen - mit Erfolg »Warum weichst du mir aus?«
    Seine Stimme faszinierte noch genauso wie beim erstenmal.
    »Tue ich das?«
    Sie drehte sich nicht um. Sie stand vor einer Kommode, die mit Aufstellbilderrahmen und kitschigen Figürchen überhäuft war. Die Bilder zeigten die Chaims: Vater, Mutter, Großeltern, Kinder und andere Verwandte.
    Ich und meinesgleichen haben sie ausgelöscht, war der Hauptgedanke, der sie beschlich, wenn sie in die Gesichter derer schaute, die zum Zeitpunkt der Aufnahmen nicht in ihren schrecklichsten Träumen hatten ahnen können, was ihnen einmal widerfahren würde.
    Niemand konnte ihr diese Gedanken nehmen.
    Auch der nicht, der jetzt sagte: »Ja!«
    Lilith zögerte kurz, dann nahm sie eines der Bilder - es zeigte David - und ging damit Anum entgegen. Er stand in der Tür des ehemaligen Schlafzimmers von Gershom und Rebecca Chaim. Als Lilith ihm den Rahmen in die Hand drücken wollte, wehrte er ab. »Was soll das?«
    Lilith nickte. »Ich bin froh, daß es dich nicht völlig kalt läßt ...« Während sie diese Feststellung traf, zwang sie sich, nicht an andere mögliche Erklärungen für seine brüske Reaktion zu denken als an die,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher