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Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Titel: Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Steve Mosby
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sprechen.«
    »Ja.«
    Ich wusste, dass Laura vor allem versuchte, die Frau von der Tatsache abzulenken, dass ihre Tochter da draußen noch lag. Auch in den nächsten paar Stunden würden wir die Leiche nicht entfernen, was im Hinblick auf den Umgang mit den Bewohnern dieses Hauses und der benachbarten Wohnblöcke ein logistischer Alptraum war.
    Als wir das Gespräch mit ihr beendet hatten, wollte ich Carla Gibson einen sympathischen Polizisten dalassen, der sie freundlich davon abhielt, den Balkon zu betreten, der von diesem Zimmer abging. Der Anblick des Zeltes, dort unten, war zwar um einiges weniger erschreckend als die Szene heute Morgen, wäre aber trotzdem furchtbar. Tatsache war, dass wir uns um ihre Tochter so gut kümmerten, wie uns das im Augenblick möglich war, auch wenn Angehörige nicht immer diesen Eindruck haben mögen.
    »Gut«, sagte Laura. »Wollen wir stattdessen über Tom Gregory sprechen?«
    »Tom …?«
    Carla starrte sie einen Moment lang an.
    »Vickis Ex-Freund.«
    »Ich weiß, wer das ist, aber was hat er mit der Sache zu tun?«
    »Na ja«, sagte Laura. »Soviel ich weiß, war die Beziehung zwischen den beiden ziemlich wechselhaft.«
    »Das wusste ich nicht.«
    Ich verschränkte die Arme und schwieg, denn wechselhaft war stark untertrieben. In der Zwischenzeit, nachdem die Leiche untersucht worden war, waren die Dateien von der IT-Abteilung gekommen, denen ich entnahm, dass ich mit meiner Vermutung da draußen gar nicht so falsch gelegen hatte. Das Ausmaß der Gewalt zwischen den beiden war zwar nicht so schlimm, wie ich zunächst befürchtet hatte – aber das bedeutete nur, dass die Polizei nicht alles mitbekommen hatte. In Anbetracht der Machtdynamik und der Drohungen, die in den meisten Fällen mit häuslicher Gewalt einhergehen, scheint die Sache bei den beiden ganz anders zu liegen. Denn hinter jeder angezeigten Gewalttat verbergen sich in der Regel viele weitere von nur unwesentlich geringerer Brutalität.
    Vicki Gibson hatte die Polizei jedenfalls dreimal wegen Tom Gregory gerufen. Zweimal, als sie noch zusammen waren, und das dritte Mal vor sechs Monaten, als sie sich schon getrennt hatten. Gregory war sturzbetrunken im Waschsalon aufgetaucht, so dass er von ein paar Kunden gewaltsam zur Räson gebracht werden musste.
    Aus irgendwelchen Gründen hatten sich alle drei Fälle in Wohlgefallen aufgelöst, bevor es zur Anzeige gekommen war. Fälle häuslicher Gewalt, wie etwa Vergewaltigung, werden sehr oft, wie wir es nennen, verschleppt. Manchmal liegt es an uns, meistens aber eben nicht, jedenfalls heutzutage. Ich darf aber behaupten, dass es eine Menge Fälle gibt, in denen ich mehr hätte tun können. Mehr, als mir lieb sind, um ehrlich zu sein.
    Laura sagte: »Hat Vicki das nie erwähnt?«
    »Nein, hat sie nicht«, entgegnete Carla mit düsterem Blick. »Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Vicki das mit sich hätte machen lassen. Sie ist so eine starke Persönlichkeit, wissen Sie. So beschützend, immer um mich besorgt. Ich weiß, dass es schwer für sie ist, aber sie ist immer so gut zu mir.«
    »Ich verstehe.« Sollte Laura bemerkt haben, dass Carla in der Gegenwart sprach, so ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Klugerweise. »Kennen Sie ihn? Mr. Gregory?«
    »Nein. Ich weiß, dass sie eine Zeitlang zusammen waren, aber das war, bevor sie wieder nach Hause zurückgekommen ist.«
    Nach Hause.
    Ich sah mich erneut um. Peter Gibson – Vickis Vater – war letztes Jahr gestorben. Ihre Eltern hatten hier sehr lange gewohnt, und Vicki war hier aufgewachsen. Ich stellte mir vor, wie sie als kleines Kind auf dem Boden herumgekrabbelt war, das Geräusch der Fernsehgeräte aus den Nachbarwohnungen von den dünnen Wänden kaum gedämpft. Vielleicht kein guter Ort, aber eine gute Familie. Manchmal reicht das, meistens aber nicht. Vicki war ihrer Wege gegangen, hatte ihr Bestes gegeben, um schließlich vom schicksalhaften sozialen Band unserer Stadt doch wieder dorthin gezogen zu werden, wo alles angefangen hatte. Ein Klischee, aber so ist es. Wo Menschen landen, hängt häufig davon ab, wo ihre Anfänge liegen.
    »Als sie sich trennten, habe ich ihr gesagt, dass sie nicht traurig sein solle«, fuhr Carla fort. »So etwas passiert, stimmt’s? So traurig es ist, aber das Leben geht weiter.«
    »Und Sie waren glücklich, sie wieder bei sich zu haben, nicht wahr?«
    »Ja.« Carlas Miene verzog sich zu einem traurigen Lächeln. »Ja, das war ich. Sie ist ein gutes
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